Seit die amerikanische Notenbank gedroht hat, ihre Liquidität zurückzufahren sind die Marktakteure in heller Aufregung. Doch die Verunsicherung schlägt sich nicht so sehr an den Börsen der etablierten Industrienationen nieder, sie bringt die aufstrebenden Volkswirtschaften geradezu in Bedrängnis.

Aus Angst vor einem Ende des billigen Geldes flüchten die Investoren aus den Schwellenländern. Die Verwüstungen sind unübersehbar. Vor allem jene Länder geraten unter Druck, die auf ausländisches Kapital dringend angewiesen sind, etwa weil sie ein Leistungsbilanzdefizit finanzieren müssen, also mehr Güter und Dienstleistungen einführen als sie ausführen.

In Indien mit einem Leistungsbilanzdefizit, das inzwischen knapp fünf Prozent der Wirtschaftsleistung ausmacht, ist die Rupie am Dienstag sowohl zum Euro als auch zum Dollar auf ein historisches Allzeittief gefallen.

In den vergangenen drei Monaten hat die Devise des Subkontinents mehr als 16 Prozent eingebüßt. In den Abwärtssog gerieten auch Indonesien, Brasilien und die Türkei, die Geld benötigen. Der brasilianische Real hat seit Ende Mai fast 19 Prozent verloren, chilenischer und argentinischer Peso sowie die türkische Lira rund ein Zehntel ihres Wertes.

Die Aktienmärkte vieler Schwellenländer sind abgestürzt. In Indonesien ging es innerhalb von drei Monaten rund ein Drittel in die Tiefe, die Börsen der Türkei, Thailands, Brasiliens und Indiens haben mehr als ein Viertel an Wert eingebüßt.

An den Anleihemärkten verlangen die Anleger inzwischen horrende Risikoaufschläge. Die Zinsen zehnjähriger indischer Staatsanleihen schossen in der Spitze auf annähernd zehn Prozent in die Höhe, den höchsten Wert der vergangenen Dekade.

Die Schwellenländer sind nun in das Auge des Orkans geraten und der Schwerpunkt der noch immer schwelenden weltweiten Finanzkrise hat sich etwas verschoben. Hatte es 2008 zunächst die USA und zwei Jahre später Europa erwischt, seien nun China, Indien, Brasilien & Co. an der Reihe. Insbesondere für Asien sieht es derzeit sehr kritisch aus, wobei der japanischen Finanzpolitik eine deutliche Verschlimmerung der Situation geschuldet ist.

Dabei galten die Schwellenländer als die wahren Gewinner der Finanzkrise. Mit ihren stabileren Banken und solideren Staatsfinanzen traten die aufstrebenden Nationen an, den Westen das Fürchten zu lehren. 2013 sollte die Wirtschaftskraft aller Emerging Markets erstmals größer sein als die der Industrienationen.

Globale Investoren schaufelten Milliarden nach Indien, Indonesien oder die Türkei. Doch nun zeigt sich, dass ein Gutteil des Booms allein auf das "hot money", das "heiße Geld" der Investoren zurückzuführen ist, wie das flüchtige Kapital im Börsenjargon genannt wird.

Seit die Fed angekündigt hat, weniger Geld in die Märkte zu schießen, sind die Zinsen in den USA markant gestiegen. Viele Investoren verabschieden sich aus den Schwellenländern und investieren wieder stärker in der Heimat.

Fast 95 Milliarden Dollar packten Investoren zuletzt in börsengehandelte Fonds (ETF) mit US-Aktien, während bei jenen aus den Schwellenländern 8,4 Milliarden Dollar abflossen, zeigen Daten von Bloomberg.

Die Schwäche in den Schwellenländern und die damit einhergehenden Wirtschaftsprobleme haben einige Anleger dazu veranlasst, aus Schwellenländern in die USA umzuschichten – noch nicht wirklich signifikant doch mit zunehmender Stärke. Doch es ist nicht allein die amerikanische Notenbank, die die Angst vor einer Schwellenländerkrise weckt. Auch die deutliche Wachstumsabschwächung Chinas schlägt voll auf andere Schwellenländer durch. Länder mit starken Regierungen könnten den China-Schock besser abpuffern als schwache politische Lenker. Er sieht die Philippinen und Malaysia noch am besten gerüstet. Dagegen könnten Indonesien, Brasilien, Chile, Russland, Thailand oder Argentinien stärker unter Druck kommen.

Die Situation erinnert viele Experten an frühere Schwellenländerkrisen. Ob die Turbulenzen in Lateinamerika in den 80er-Jahren oder die Asienkrise Ende der Neunziger: Stets war es das heiße Geld der Investoren, das zunächst die Märkte überschwemmte und deren Abzug später die Volkswirtschaften kollabieren ließ.

Das Muster lässt sich auch heute beobachten. Zunächst stürzten die Währungen ab, danach ging es mit der Realwirtschaft in die Tiefe und die Länder mussten mit Hilfe des Internationalen Währungsfonds gerettet werden.

Auch heute versuchen sich die Notenbanken der Länder der Kapitalflucht entgegenzustemmen. Die türkischen Währungshüter verkauften einen Teil der Dollar-Reserven, indische und brasilianische

Noch gibt es die Hoffnung, dass eine veritable Schwellenlandkrise wie in den Achtziger und Neunzigerjahren vermieden werden kann. "Anders als damals sind Staaten und Unternehmen der Länder heute nicht so stark verschuldet", versuchen  einige Ökonomen die Gemüter zu beruhigen.

21.08.2013 | 3225 Aufrufe