Die Familie des chinesischen Ministerpräsidenten Wen Jiabao hat einem Zeitungsbericht zufolge ein verstecktes Milliardenvermögen. Die Beteiligungen seien insgesamt 2,7 Milliarden Dollar (2,1 Milliarden Euro) wert, berichtete die "New York Times". Zahlreiche Verwandte des Regierungschefs seien "außerordentlich reich". Sie halten demnach Beteiligungen unter anderem an Telekommunikationsfirmen, Banken, Juwelieren, Tourismusresorts und Infrastrukturprojekten.

Der Bericht steht dem Bild Wens entgegen, ein bescheidener Staatsdiener zu sein, der streng gegen Korruption und Vetternwirtschaft in der Volksrepublik vorgeht. Der Bericht der "NYT" wurde von der chinesischen Internetzensur am Morgen blockiert.

Der Zeitung zufolge verfügt Wen selbst zwar über keine entsprechenden Firmenbeteiligungen, genannt werden aber seine Mutter, sein Sohn, seine Tochter, der jüngere Bruder und sein Schwager. Die Mutter erwarb demnach 2007 einen Anteil im Wert von 120 Millionen Dollar an der Versicherung Ping An. Diese profitierte von Reformen der Regierung Wens.

In China steht in den kommenden Monaten ein umfassender Führungswechsel an. Im November soll dies der Volkskongress vorbereiten. Es wird erwartet, dass Staatspräsident und Parteichef Hu Jintao kurz vor seinem 70. Geburtstag im Dezember von seinem bisherigen Stellvertreter Xi Jinping beerbt wird. Ministerpräsident Wen dürfte von seinem Vize Li Keqiang abgelöst werden.

 

Als der Tempel vor einigen Jahren auf die in China besonders dreist praktizierte Form von Korruption und Vetternwirtschaft aufmerksam machte, erhielten wir sehr viel Kritik und die offene Unterstellung von „Chinaphobie“  angetragen. Gerade Wen Jiabao wurde von der Mehrheit der Gutmenschen als integrer Vertreter einer allein auf das „Reich“ gerichteten Politik betrachtet. Allein seine politischen und wirtschaftlichen Schachzüge hätten bei genauerer Betrachtung zu erheblichen Zweifeln Anlass geben müssen. Er hinterlässt seinem Nachfolger nicht nur ein politisch starkes und wirtschaftlich gesundes System dem auch die Europäer inzwischen außer Respekt auch in erheblichem Umfang politischen Gehorsam schulden. Selbst der vielfach aus berechtigtem Anlass abgeschriebene Euro verdankt seine derzeitige Gnadenfrist allein der Politik Wens. Sollte dieser umtriebige Politiker da nicht auch ein gewisses Anrecht auf eine angemessene persönliche Entlohnung haben? Hat er nicht zumindest den gleichen Respekt verdient, den man auch anderen Politikern und Wirtschaftsführern entgegenbringt? – Wo aber sollte man die Grenze ziehen? Wo fängt die schamlose Bereicherung und der Amtsmissbrauch an?

Frá Jean-Marie de Fleurieu

Komtur des Tempels

27.10.2012 | 1007 Aufrufe