In seiner UN-Rede vermied Irans Präsident Ruhani jedes konkrete Zugeständnis im Atomstreit genauso, wie jegliche Erwähnung eines Umdenkens im Syrienkonflikt, weckte aber in manchen Kreisen der Gutmenschenliga leichte Hoffnungen auf  Entspannung. Ob Teherans Politik der schmeichelnden Rhetorik des Lächlers folgt,

bleibt mal wieder opportunistischem Wunschdenken überlassen.

Kein offizielles Treffen, noch nicht einmal ein simpler Handschlag der Präsidenten zeigte sich  am Dienstag im Rahmen jedweder Möglichkeiten: Wer in New York eine Art Friedensschluss in dem seit 34 Jahre währenden kalten Krieg zwischen Teheran und Washington erwartet hatte, musste am Nachmittag die weiße Fahne wieder einrollen.

Trotzdem endete der Auftakt der achttägigen Debatte der 68. UN-Generalversammlung mit einer optimistischen Zwischenbilanz. Zwar hatte Hassan Ruhani, der neue Präsident des Iran, nicht nur die persönliche Begegnung mit Barack Obama strikt vermieden und auch in seiner Rede keineswegs das Ende des Teheraner Nuklearprogramms angekündigt. Doch wer allzu Hoffnungsoffen hinhörte, dem sollte es auch gelingen mögliche Indizien dafür finden, dass eine vorsichtige Wiederannäherung der beiden Länder zumindest nicht ausgeschlossen ist.

Damit knüpfte Ruhani an den rhetorischen Kurs an, den er seit seinem Amtsantritt im vorigen Monat angedeutet hatte. Guido Westerwelle, der scheidende deutsche Außenminister, befand nach der Rede: "Die Tonlage ist völlig neu. Insoweit ist das auch Grund für vorsichtigen Optimismus. Der Iran könnte es ernst meinen."

Dabei kritisierte Ruhani in seiner Rede vor der Generalversammlung zunächst die USA heftig wegen der Kriege im Irak und in Afghanistan sowie Israel wegen seiner Palästina-Politik. Aber anders als sein Vorgänger Mahmud Ahmadinedschad, der westliche Diplomaten regelmäßig zum Auszug aus dem Plenum motiviert hatte, bemühte sich Ruhani um einen relativ gemäßigten Ton.

"Die Militärintervention in Afghanistan, der von Saddam Hussein ausgelöste Krieg gegen den Iran, die Besetzung von Kuwait, Militärinterventionen gegen den Irak, die brutale Unterdrückung des palästinensischen Volkes, Anschläge auf einfache Leute und Politiker im Iran, Bombenanschläge in Ländern wie dem Irak, Afghanistan und dem Libanon sind Beispiele für die Gewalt in dieser Region in den letzten drei Jahrzehnten", sagte Ruhani, und setzte interessanterweise die Kriege der Amerikaner mit Terrortaten und der Gewalt religiöser Sekten gleich.

Die USA zeichnete er damit aber nicht offen als den großen Satan, sondern als eine Weltmacht, die eine fehlerhafte, weil von falschen Prämissen geleitete Politik verfolge. Dazu gehöre etwa die "angebliche Bedrohung durch die sogenannte iranische Gefahr", die seit dem Sturz des Schahs 1979 zur Rechtfertigung eines langen Katalogs von Verbrechen und Katastrophen geführt habe.

Ruhani verurteilte auch den Giftgas-Einsatz in Syrien und begrüßte den Beitritt der Regierung in Damaskus zur UN-Chemiewaffen-Konvention. Fast schon pflichtschuldig warnte er in diesem Zusammenhang vor der Androhung militärischer Gewalt, damit Syrien seine Zusagen einhalte, aber die USA nannte er erneut nicht als Quelle dieser Drohung.

Der Iran sei ein "Anker der Stabilität" in einer unsicheren Region sagte der Präsident. Er sprach vom Frieden, der auf Demokratie gründe, und immer wieder von der Hoffnung, so als hätte er Anleihen beim Obama des Jahres 2008 gemacht. Allerdings vermied Ruhani jedes konkrete Zugeständnis. Das iranische Atomprogramm sei auf rein zivile Ziele ausgerichtet, versicherte er in der Kontinuität seines Vorgängers, und auch zu einem Verzicht auf die Uran-Anreicherung werde sich der Iran nicht drängen lassen. Wenn er aber hinzufügte, das nationale Interesse mache es zu einem Imperativ, "dass wir jede vernünftige Sorge über das friedliche Nuklearprogramm des Iran zerstreuen sollen", lässt dies Raum zur vielfältigen Interpretation. So mag in der Summe das, was Ruhani sagte, weniger interessant sein als das, was er nicht sagte. Aber erklärt er es für verhandelbar, dass die Anreicherung nicht über die kritische 20-Prozent-Marke hinausgeht und dass dies im Ausland oder unter internationaler Aufsicht stattfindet?

Der Washingtoner und Jerusalemer Formel, dass im Falle eines Nichtnachgebens des Iran "die militärische Option auf dem Tisch bleibt", hielt Ruhani seine Losung entgegen: "Frieden ist erreichbar." Trotz aller Schwierigkeiten und Herausforderungen sei er "sehr optimistisch".

Seine Goodwill-Tour setzte der iranische Präsident im Interview mit dem Fernsehsender CNN fort. Auf die Frage nach dem Holocaust, die Ahmadinedschad regelmäßig zu bizarren Attacken gegen Israel genutzt hatte, sagte Ruhani zunächst zurückhaltend, er sei "kein Historiker, und wenn es darum geht, über die Dimensionen des Holocaust zu sprechen, dann sind es die Historiker, die darüber zu reflektieren haben." Doch dann fügte der Präsident zu, dass "jedes Verbrechen, das in der Geschichte gegen die Menschlichkeit verübt wird, das Verbrechen der Nazis an den Juden eingeschlossen, verwerflich und verdammenswert ist".

Warum aber kam es bei augenscheinlich so viel rhetorisch bekundeter Verständigungsbereitschaft nicht zur persönlichen Begegnung zwischen Ruhani und Obama? Am Vortag noch hatten US-Diplomaten erklärt, ein Treffen der beiden Präsidenten sei nicht ausgeschlossen. Damit gingen sie schon weit über die Möglichkeit zumindest eines Händedrucks hinaus, den das Weiße Haus vergangene Woche als Möglichkeit angedeutet hatte.

Am Dienstagmittag wurden diese hoffnungsvoll erscheinenden Signale deutlich zurückgenommen. Es werde kein Treffen geben, hieß es aus der US-Delegation. Man habe der iranischen Seite zwar vorgeschlagen, die Präsidenten könnten sich am Rande der Veranstaltung zusammenfinden und die anstehenden Fragen besprechen. Aber die Reaktion aus Teheran habe gezeigt, dass eine solche Begegnung für die iranische Seite aus innenpolitischen Gründen "zu schwierig" gewesen wäre.

Das passte zumindest zu der rätselhaften Meldung, die am Dienstagvormittag in New York die Runde machte: Da verbreitete plötzlich die formal halbamtliche iranische Nachrichtenagentur Fars, Ruhani werde bei der Generalversammlung gar nicht sprechen. Vielmehr habe der ebenfalls in New York weilende Außenminister Mohammed Dschawad Sarif auf Anordnung des Ayatollahs Ali Khamenei die Leitung der iranischen Delegation übernommen. Tatsächlich saß Sarif am Vormittag im Plenum, als Obama sprach – während Ruhani nicht zugegen war.

Offiziell wurde später veröffentlicht, Fars habe sich geirrt. Aber hier sind Spekulationen durchaus angebracht, ob diese „falsche“ Agenturmeldung einen Warnschuss aus Teheran für den möglicherweise als allzu konziliant empfundenen Ruhani darstellte. Das Umfeld von Ajatollah Ali Khamenei, dem obersten politischen und religiösen Führer des Iran, zeigte sich in den letzten Wochen ausgesprochen verhalten, während aus den Reihen der Führer der Revolutionsgarden zunehmend widersprüchlichere Aussagen zu vernehmen waren.

Khamenei hatte schon Ruhanis Vorgänger Ahmadinedschad nur wenig Spielraum gelassen – was für diesen nicht zu größeren Problemen führte, weil Ahmadinedschad ohnehin wenig konzessionsfreudig war. Ruhani aber mag angesichts der immer schmerzlicheren Folgen der Sanktionen gegen den Iran zu Zugeständnissen bereit sein, die Khamenei nicht nur zu weit gehen, sondern nach dessen Auffassung die festgeschriebene Doktrin des Revolutionsführers Großayatollah Chomeini zu relativieren geeignet wären.

Kein Handschlag und eine Rede, die nicht ein einziges faktisches Zugeständnis erhielt - der US Präsident äußert sich vorsichtig zu möglicherweise erkennbaren Anzeichen für eine Verhandlungslösung mit dem Iran. Er beauftragte seinen Außenminister John Kerry, entsprechende Verhandlungen gemeinsam mit Großbritannien, Frankreich, Deutschland, China und Russland zu starten – das ist durchaus als ein Neuanfang nach 34 Jahren des Kalten Krieges zwischen Washington und Teheran zu betrachten. Zudem  möchte die Welt nach dem jahrelangen Ringen mit dem Iran schlicht an eine Entwicklung glauben, die jeden Militärschlag überflüssig macht. Da bleibt nur zu hoffen, dass die Optimisten von heute nicht wegschauen, wenn sich morgen herausstellen sollte, dass nur die Rhetorik, nicht aber die Politik des Iran generalüberholt wurde.

Frá Danhui Li

Ritter des Tempels

25.09.2013 | 7684 Aufrufe