#1

Frá Arkesh

Udaipur,Indien

Mit dem Negativzins wird der Sparer enteignet – mit der Regelinflation werden Staatsschulden direkt auf den Sparer umgelegt - das ist verfassungswidrig

In einem Gutachten erklärt Paul Kirchhof, Rechtsprofessor und ehemaliger Bundesverfassungsrichter, warum die EZB mit ihrer Zinspolitik in ein elementares Grundrecht eingreift. Im Interview sagt er auch, was Deutschland tun sollte, um den stabilen Euro zu retten. Präzise Analysen und klare Worte, dafür ist Paul Kirchhof bekannt. Er ist Professor für öffentliches Recht und Steuerrecht an der Universität Heidelberg. Von 1987 bis 1999 war er Richter des Bundesverfassungsgerichts und hat sich dort unter anderem mit dem Euro und den Maastricht-Verträgen beschäftigt.

Seine Idee, das deutsche Steuersystem so zu vereinfachen, dass eine Steuerklärung auf einen Bierdeckel passt, hat sich nicht durchgesetzt. Das lag aber weniger an der Durchführbarkeit als am Durchsetzungswillen seitens des Gesetzgebers. Jetzt hat Kirchhof sich in einem Gutachten mit der Zinspolitik der EZB beschäftigt. Das Ergebnis ist nicht nur als Appell zum Handeln an die deutsche Politik zu verstehen, sondern auch als Mahnung an die Einhaltung rechtsstaatlicher Normen und Warnung vor dramatischen Folgen bei der Überdehnung der Leidensfähigkeit der Bürger.

Professor Kirchhof stellte sich in einem Interview mit der WELT den Fragen zum Gutachten:

WELT: Herr Professor Kirchhof, Sie haben für die Sparda-Banken ein Gutachten zur Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) erstellt. Danach ist deren Null- und Negativzinspolitik verfassungswidrig. Warum?

Paul Kirchhof: Der Sparer ist von dieser Geldpolitik unmittelbar betroffen in einer Rechtsposition, die ihm seit vielen Jahrzehnten in Deutschland und überall vertraut war. Er gibt sein Kapital der Bank seines Vertrauens, erwartet am Jahresende drei Prozent Zins, hat fast kein Risiko und muss sich nicht weiter in Erwerbsanstrengungen um diese Ertragsquelle kümmern. Doch die EZB hat mit ihrer Marktmacht diese Ertragsquelle versiegen lassen. Denn die Nullzinspolitik bedeutet, dass das gesparte Kapital nicht mehr arbeitet.

WELT: Und die Negativzinsen?

Kirchhof: Damit geht die EZB noch einen großen Schritt weiter: Jahr für Jahr nimmt sie dem Sparer über ihre Leitzinssatzpolitik 0,5 Prozent weg, ohne ihm dafür etwas zu geben. Die EZB veranlasst eigenmächtig, dass Eigentum von privater in die öffentliche Hand übergeht. So etwas steht ihr nicht zu, das ist Kompetenzanmaßung. Mit dem Negativzins wird der Sparer enteignet, obwohl der Staat prinzipiell nicht auf Privateigentum zugreifen darf. Das ist verfassungswidrig und widerspricht auch dem Europarecht. Die Garantie des Privateigentums ist die Garantie der ökonomischen Grundlage individueller Freiheit.

WELT: Der Sparer kann doch in renditeträchtige Anlageformen wie Aktien oder Immobilien gehen.

Kirchhof: Das Argument, dass der Sparer lediglich eine Marktchance weniger hat, kommt oft. Doch diese Sicht ist verkehrt. Nehmen wir einen Winzer, der Wein produziert. Ob er Umsatz und Gewinn macht, entscheidet der Markt. Aber wenn der Staat dem Winzer die Rebstöcke so beschneidet, dass diese keine Früchte mehr hervorbringen, dann wäre das ein Eingriff in die Eigentümerfreiheit. Und wenn der Staat dem Winzer dann sogar Jahr für Jahr einige Rebstöcke wegnimmt, dann ist das ein Substanzentzug von Eigentum, den die Verfassung nicht erlaubt. Dem Sparer zu sagen, er könne in Aktien oder Kunst investieren, ist so, als riete man dem Winzer, stattdessen Bier zu brauen oder Fruchtsäfte zu verkaufen. Das ist aber gar nicht seine Welt.

WELT: Gibt es ein Grundrecht auf Zinserträge?

Kirchhof: Es gibt ein Grundrecht, sein Eigentum nutzen zu dürfen. Das ist Teil der Eigentümerfreiheit. Und dieses Grundrecht wird dem Sparer durch die Zinspolitik der EZB genommen. Die EZB denkt stets in Globalpolitik und sieht nicht die Folgen für die einzelnen Menschen. Das deutsche Verfassungsrecht stellt dagegen die Grundrechte des Einzelnen an den Anfang. Es geht hier um das individuelle Recht des Sparers, sich am Finanzmarkt zu beteiligen, ohne täglich Risiken einzugehen und neue Anlageformen zu verfolgen. Das will die Mehrheit der Deutschen nicht.

WELT: Die EZB ist unabhängig. Wer könnte denn einschreiten, um sie auf einen anderen Zinskurs zu bringen?

Kirchhof: Die Europäische Zentralbank wurde als unabhängige Institution geschaffen und dient nur dem einen Auftrag, für Preisstabilität zu sorgen, also vor allem die Kaufkraft des Arbeitnehmers, des normalen Bürgers, in Geldwert zu sichern. In der Vergangenheit galt eine Inflation von maximal zwei Prozent noch als tolerabel. Mittlerweile hat die EZB eigenmächtig diese Höchstgrenze zur Zielmarke umdefiniert. Mit der regelmäßigen Minderung des Geldeigentums um zwei Prozent und dem Negativzins hat die Europäische Zentralbank ihr eng auf die Sicherung der Preisstabilität begrenztes Mandat ganz offensichtlich verlassen. Sie betreibt jetzt Wirtschaftspolitik.

WELT: Und niemand kann sie mehr aufhalten?

Kirchhof: Alle diese europäischen Rechtsakte sind nur dann wirksam, wenn sie in dem europäischen Vertrag geregelt sind. Und wenn die EZB außerhalb ihrer vertraglich vereinbarten Kompetenzen und Befugnisse handelt, dann ist das null und nichtig, juristisch gesehen.

WELT: Aber wer setzt das Recht durch, das Bundesverfassungsgericht?

Kirchhof: Das Bundesverfassungsgericht hat das PSPP-Programm der EZB, ein Programm zum Aufkauf von Staatsanleihen, beanstandet und die EZB zur Begründung aufgefordert. Das Programm hat einen Umfang von über zwei Billionen Euro und hat erhebliche Auswirkungen auf Sparer, Immobilienkäufer oder Aktienbesitzer. Doch der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat ohne Prüfung der Rechte dieser Betroffenen alles für rechtens erklärt. Dann war Karlsruhe wieder am Zug.

WELT: Sitzt der EuGH nicht am längeren Hebel?

Kirchhof: Nein, damit die EU als Staatenverbund funktioniert, brauchen wir eine gute Form der Gewaltenbalance. Der EuGH überprüft, ob Europarecht überall in der EU einheitlich angewandt wird. Das Europarecht gilt aber in Deutschland nur deshalb, weil der Bundestag mit verfassungsändernder Mehrheit zugestimmt hat. Das ist die Brücke, über die Europarecht Deutschland erreicht. Das Gleiche gilt auch für alle anderen Mitgliedstaaten. Die EZB schickt jetzt auf diese Brücke einen total überladenen Finanztransporter, der Geld in die Länder bringen soll. Weil er so überladen ist, droht die Brücke einzustürzen. Der EuGH müsste einschreiten, tut es aber nicht. Deshalb muss das Bundesverfassungsgericht ein Stoppschild aufstellen. Es ist doch im Sinne der gesamten Union, dass die Brücke nicht einstürzt.

WELT: Weil Karlsruhe schließlich 2020 das Anleihekaufprogramm für teilweise verfassungswidrig erklärt hat, droht die EU-Kommission Deutschland mit einem Vertragsverletzungsverfahren – eskaliert der Streit jetzt?

Kirchhof: Wenn dieses Verfahren durchgeführt wird – was die Klugheit der Beteiligten verhindern möge –, dann wird in letzter Zuständigkeit der EuGH darüber entscheiden, ob der EuGH den Vertrag verletzt hat. Er soll also in eigener Sache urteilen. Das widerspräche der Tradition des unabhängigen und unbefangenen Richters, die wir nicht nur in Deutschland, sondern auch in der Rechtstradition aller Mitgliedstaaten haben. Der EuGH verlöre an Autorität – ausgerechnet in einer Phase, in der man in der EU einigen osteuropäischen Regierungen den Vorwurf mangelnder Rechtsstaatlichkeit macht. Und jetzt klingt der Gedanke an, die Bundesregierung solle auf Richter Einfluss nehmen.

WELT: Die lockere Geldpolitik hilft Südeuropa inklusive Frankreich. Ist diese Solidarität nicht wichtiger als die Bankguthaben einzelner Bürger?

Kirchhof: Die Umverteilung unverdienter Einnahmen entsolidarisiert. Der Geber kritisiert, es sei zu viel, der Empfänger, es sei zu wenig. Das Recht auf Zinsen auf Sparguthaben ergibt sich nicht nur aus dem Grundgesetz, sondern auch aus dem Europarecht. Das ist in diesem Punkt deckungsgleich. Die Frage ist, wie dieses Recht durchgesetzt wird. Die Bundesregierung, die an das Grundgesetz gebunden ist, muss darauf hinwirken, dass das Unrecht nicht passiert. Und der Präsident der Deutschen Bundesbank als Mitglied im Rat der EZB muss dort sein Veto einlegen.

WELT: Und wenn die EZB ihren Kurs ungehindert fortsetzt?

Kirchhof: Wenn dieser Kurs fortgesetzt wird, droht ein fundamentaler Stabilitätsverlust. Das bedeutet, dass die staatlichen Darlehensverträge nie erfüllt werden. Der Geldwert kann nicht stabil gehalten werden. Denn bei dieser hohen Staatsverschuldung wird er zusammenbrechen. Der deutsche Steuerzahler wird sich wehren, wenn seine Steuern nicht für das hiesige Gemeinwesen verwendet werden, sondern zur Finanzierung des Finanzmarktes.

WELT: Die Staatsverschuldung in der EU ist in der Coronakrise in die Höhe geschnellt. Steigende Zinsen könnten Länder wie Italien oder Spanien gar nicht verkraften.

Kirchhof: Viele Länder haben unabhängig von der Pandemie einen weit höheren Schuldenstand, als die im Stabilitätsvertrag geltende Höchstgrenze von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Italien liegt bei über 150 Prozent, Frankreich bei mehr als 110 Prozent. Dennoch kann man nicht ab morgen eine völlig andere Geld- und Schuldenpolitik betreiben. Aber wir müssen jetzt umkehren und damit beginnen, uns den 60 Prozent wieder anzunähern, statt uns immer weiter von dieser Marke zu entfernen. Auf keinen Fall sollte die EU einfach die Stabilitätsziele aufweichen.

WELT: Warum wäre das gefährlich?

Kirchhof: Weil der Wert des Geldes ausschließlich auf Vertrauen gründet. Wenn der Eindruck entstünde, die Länder halten sich nicht an die Verträge, sondern verschulden sich immer mehr, geht dieses Vertrauen verloren. Deshalb sind Umkehr- und Erneuerungsmaßnahmen so entscheidend. Wenn man sieht, dass die Schuldenstände wieder sinken, dann schafft das Vertrauen. Die Geldpolitik spielt hier eine entscheidende Rolle. Die EZB muss aufhören, einen Anreiz für immer höhere Schulden zu setzen.

WELT: Die Deutschen pochen auf die Einhaltung der Regeln. Die Franzosen stehen für eine flexiblere Auslegung und argumentieren politischer. Liegt hier ein unlösbarer Konflikt?

Kirchhof: Das ist eine völlige Überzeichnung der Wirklichkeit. Auch ein Franzose beharrt bei Geldangelegenheiten auf seinem Anspruch und klagt die Erfüllung des Rechts notfalls ein. Doch Frankreich steht bei der Staatsverschuldung nicht besonders gut da. Und die Franzosen wollen dieses Problem über die gemeinsame europäische Haftung zu einem erheblichen Teil mit uns zusammen finanzieren.

WELT: Bei der Entscheidung in der Coronakrise für die Aufnahme gemeinsamer Schulden in der EU zur Finanzierung des Wiederaufbaufonds kam von den sogenannten „Sparsamen Vier“ – Österreich, den Niederlanden, Schweden und Dänemark – Widerstand. Und jetzt pochen diese Länder darauf, dass diese Umverteilungsmaßnahme keine Dauereinrichtung wird. Sollte Deutschland den Schulterschluss mit den Sparsamen suchen?

Kirchhof: Es wäre ganz wichtig, dass Deutschland als Hauptbetroffener dem Club beiträte. Denn dies wäre die Rettung der Europäischen Währungsunion. Das entspräche auch unserem Auftrag. Wenn wir das Spiel so weiterspielen, dann wird es den stabilen Euro bald nicht mehr geben. Das Thema gehört ins deutsche Parlament. Dass weitreichende europarechtliche Beschlüsse wie die gemeinsame Schuldenaufnahme der EU ohne richtige Debatte im Bundestag umgesetzt werden, ist ein Problem. Die Abgeordneten müssen gute Europäer werden und die europäische Entwicklung mit konstruktiver Kritik begleiten. Tiefgreifende Veränderungen in der EU gehen nur über eine Änderung des Europavertrags. Die Alternative, eine Vertragserneuerung durch ständigen Vertragsbruch, führt Europa in die Irre. Es ist Pflicht der deutschen Politik, dies im Sinne der Sparer und zum Wohle Europas zu verhindern. Ansonsten ist der deutsche Sparer der Leidtragende.

Wie Leidensfähig aber ist dieser und wo liegt die Grenze der Duldungsfähigkeit?

 


Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal bearbeitet, zuletzt von »Frá Arkesh« (03.07.2021, 14:48)
#2

gyges

,Deutschland

Hallo!
Dieser Beitrag ist ja jetzt mehr denn je aktuell - letztes Jahr im Juli standen wir vor dem Abgrund - jetzt sind wir einen gewaltigen Schritt weiter 😉
Die Inflation liegt im März bei "offiziellen" 7.3 %, real betrachtet ist sie aber bereits viel höher und sie wird ihr Tempo angesichts der Energiekrise galoppierend beschleunigen. Viele Preiserhöhungen sind noch gar nicht beim "Endverbraucher" angekommen, aber dafür die Verknappung von Gütern, was wiederum zu einer heftigen Inflation führen wird.

Ich selbst kann Euch in meinem Bereich, in dem ich tätig bin, von Preissteigerungen von 20 bis 70% berichten und manches wird nach Tagespreisen an den höchst bietenden verkauft. Also alles andere als eine gesunde Entwicklung . . .

Die EZB hat munter weiter Geld in den Markt gepumpt und der zugefügten Geldmenge steht keine wirtschaftliche Wertschöpfung mehr gegenüber.
Alles ist "völlig losgelöst von der Erde", es ist irreal und viele blicken noch auf die einigermaßen stabilen Börsenkurse, die jedoch meines erachtens eher den Kurs der "Jeton´s" in einem Spielkasino wieder gibt, nicht jedoch den realen Wert von Unternehmen.

Der große Finanzcrash scheint relativ nahe zu kommen und zudem noch die Krisen in der Ukraine, Irak und bald wohl in Taiwan ?

Shanghai hat seit Wochen einen extremen Lockdown verhängt, aber geht es dabei wirklich um Corona?
Will man nicht vielleicht einen Vorwand schaffen, um einen der größten Häfen Chinas zu blockieren, um die Lieferengpässe weltweit noch zu verschäfen ? Ich stelle das mal so als Frage in den Raum ! Mir erscheint es jedenfalls fragwürdig!
China hat wirtschaftlich enorm profitiert an den Lieferengpässen und wird es weiter, so wie ich die Entwicklung sehe.

Wie seht Ihr die aktuelle Situation ? Was kann man noch unternehmen um sich vorzubereiten ? Wie heftig wird es werden ?

Ich danke Euch schon im Voraus für Eure geschätzten Kommentare !

Grüße
Gyges

#3

Frá Maurice

Toronto,Kanada

Mit absoluter Sicherheit wird man in Deutschland nach Schuldigen suchen und genauso sicher wird man irgendjemanden oder irgendetwas verantwortlich machen - Hauptsache niemand kommt auf die Idee das eigene Verschulden zu benennen. Beim Öl und Gas ist es jedoch relativ einfach Schuldige zu finden. Russland hat seine Kriege über Jahrzehnte im Voraus geplant und seine großzügig organisierten Gasgeschäfte genauestens kalkuliert und Stabsplanmäßig organisiert. Es hätte ja auch fast geklappt. Das Öl folgt dem Gas auch hier war abzusehen, dass irgendetwas in der Luft lag. Die russische Annäherung an die OPEC war zu offensichtlich durchschaubar. Aber warum schwieg Europa und insbesondere Deutschland dazu? Warum gerade in den letzten Monaten? Der europäische Ölbedarf der jeweils nächsten 9 Monate ist bereits verschifft und verkauft – dies zu den Preisen die im April letzten Jahres galten. Es wäre ein leichtes gewesen die Weiterverkäufe an Zwischenhändler aus Asien und Russland zu verhindern. Wer trägt die politische Verantwortung für diesen Wertschöpfungsverlust im Rahmen von hunderten Milliarden Dollar? Wird hier bewusst eine Politik verfolgt, welche dem Ziel der Staatsentschuldung über die Inflation Rechnung trägt?

Warum steigen die Preise für Getreide und Ölsaaten, welche im letzten Jahr eingelagert wurden, derart unverschämt, obwohl noch niemand den tatsächlichen Ernteausfall in der Ukraine für das laufende landwirtschaftliche Wirtschaftsjahr kalkulieren kann? Warum sind die Regale der Geschäfte für Speiseöl und Mehl plötzlich leergefegt? Die deutschen und auch die europäischen Silos und Lager sind randvoll! Indonesien kündigt plötzlich einen Exportstop für Palmöl an – könnte hier wohl ein Zusammenhang mit russischen Waffenlieferungen bestehen?

Ohne Zweifel arbeitet die chinesische Regierung an einer massiven Marktbeeinflussung und Manipulation der Warenflüsse. Sie folgt dem Wink aus Russland und hat sich erst im letzten Jahr einen Preis für Gas und Öl gesichert, der deutlich unter den damaligen Preisen für europäische Abnehmer lagen. Ohne Zweifel versuchte Russland auch Deutschland zu Verträgen zu überzeugen, die eine Begünstigung vorsahen – aber nur für den Fall der Garantieabnahme über Nordstream 2.

Die Weltwirtschaft hinkt nicht nur, sie kriecht dem Überangebot an Kapital hinterher und jeder versucht sich besonders vorteilhaft zu positionieren. Ohne Zweifel liegt hier eine wirklich große Gefahr – aber dies scheint niemanden wirklich zu interessieren. Wir sind gespannt wie lange sich das Hamsterrad noch bewegen lässt – es klemmt schon jetzt gewaltig und man sollte sich darauf einstellen, dass die Inflation deutlich steigen wird. Der Tempel kalkuliert Preissteigerungen für das normale Leben von 20 – 30 % und für Energie zwischen 40 und 60 % für das laufende Jahr.


Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal bearbeitet, zuletzt von »Frá Maurice« (27.04.2022, 16:15)
#4

gyges

,Deutschland

Wer trägt die politische Verantwortung für diesen Wertschöpfungsverlust im Rahmen von hunderten Milliarden Dollar? Wird hier bewusst eine Politik verfolgt, welche dem Ziel der Staatsentschuldung über die Inflation Rechnung trägt?

Warum steigen die Preise für Getreide und Ölsaaten, welche im letzten Jahr eingelagert wurden, derart unverschämt, obwohl noch niemand den tatsächlichen Ernteausfall in der Ukraine für das laufende landwirtschaftliche Wirtschaftsjahr kalkulieren kann? Warum sind die Regale der Geschäfte für Speiseöl und Mehl plötzlich leergefegt? Die deutschen und auch die europäischen Silos und Lager sind randvoll! Indonesien kündigt plötzlich einen Exportstop für Palmöl an – könnte hier wohl ein Zusammenhang mit russischen Waffenlieferungen bestehen?

..

Die Antwort ist ganz einfach! Habgier, Profitgier und Menschen die die Gunst der Stunde nutzen um sich unmäßlich zu bereichern.
Jede Preiserhöhung wird auf Corona oder den Ukraine Krieg geschoben, obwohl häufig ausreichend Ware verfügbar ist.
Nehmen wir als Beispiel Bauholz: Preiserhöhungen von über 70% sind keine Seltenheit in Deutschland.

Deutschland exportiert aktuell mehr Holz als je zuvor, betreibt Raubbau am Wald ( besonders die Staatsforste ) und währen man hier immer häufiger von Bauverzögerungen mangels Material hört, exportiert man fleißig weiter:

Zitat aus finanzen.net:
"Im vergangenen Jahr hat Deutschland die Rekordmenge von 12,7 Millionen Kubikmetern Rohholz exportiert, wie das Statistische Bundesamt jüngst berichtete. Über die Hälfte davon ging in die Volksrepublik China, wo der Bauboom nach überwundener Corona-Krise noch einmal angezogen hat. Auch in den USA herrscht eine hohe Nachfrage, weil der traditionelle Nachschub aus Kanada nach Bränden und Trump-Strafzöllen stockt." (https://www.finanzen.net/nachricht/rohstoffe/34-runder-tisch-34-gefordert-holz-wird-knapp-streit-ueber-massnahmen-gegen-rohstoffknappheit-10127628)

Und das ist nur ein Beispiel, wie ohne Rücksicht auf die Situation im eigenen Land Raubbau um des Profits betrieben wird.


#5

Frá Maurice

Toronto,Kanada

Ist es als Raubbau am Wald zu bewerten wenn man die existenzbedrohenden Käferschäden aufarbeitet um Folgeschäden einzudämmen? Noch vor wenigen Jahren waren die Waldkritiker in Deutschland in der Überzahl und Maßnahmen gegen das Waldsterben wurden als unsinnig und Fehlinvestition gehandelt. Das Waldsterben wurde üblicherweise geleugnet. Von vielen Kritikern der Agrarpolitik der EU in den letzten 50 Jahren geforderte Aufforstungsprogramme statt Flächenstilllegungen wurden auf das Massivste bekämpft und politisch verhindert – angeblich wegen eines befürchteten Preisverfalls durch Überangebot. Kritik ist gut und sicher angebracht. Aber man muss Themen genau reflektieren und dann natürlich auch Lösungen anbieten – nur so entkommt man dem Vorwurf der Verschwörungstheorie oder schlimmeren Anschuldigungen. Der deutsche Wald ist nur zu retten durch massivste Aufforderungen – hier wäre eine Flächenverdreifachung erforderlich um auch nur annähernd erforderliche Wirksamkeiten zu schaffen. Caesar schrieb über den deutschen Wald: Germania ist ein wildes von undurchdringlichen Eichenwäldern gezeichnetes Land in dem nur wilde Tiere hausen können. Jetzt ist dieser Wald so reduziert und von seinen natürlichen Ursprüngen befreit, dass selbst die heimischen Wildtiere – welche in den letzten Jahren zum Schutz der Fichtenmonokulturen in ihren Beständen nahezu ausgerottet wurden – inzwischen unter existenzbedrohendem Inzuchtdruck leiden und den damit verbundenen schweren genetischen Fehlentwicklungen. Wohnungsnot ist eine Fehlentwicklung die auf völliger Selbstüberschätzung des Sapienstieres basiert!

#6

gyges

,Deutschland

Hallo! Ich wollte jetzt in das "Thema Wald" bewusst nicht zu tief einsteigen, da es ja am eigentlichen Thema vorbei führt.
Ich kann den Aussagen weitestgehend zustimmen. Kernaussage sollte aber sein, daß das Holz für den eigenen Markt nicht zur Verfügung steht und in´s Ausland exportiert wird, obwohl bei uns dadurch massive Probleme auf Baustellen entstehen, Material nicht verfügbar ist und die Preise durch die Decke gehen.

Die Schädigung der eigenen Wirtschaft wird billigend in Kauf genommen. Aufgabe eines Staates sollte doch sein, dies zu vermeiden!

#7

Frá Maurice

Toronto,Kanada

Irgendwie muss die Wirtschaft am Laufen gehalten werden und China muss "bezahlt" werden. Der Warenaustausch kann aber nur in der Form von benötigten Rohstoffen erfolgen wenn es keine gleichwertige Warenangebote gibt. Holz liegt in nicht mehr verwertbaren Mengen im Wald - Holz welches in der deutschen Wirtschaft so nicht aufgenommen werden kann. Es ist so teuer, dass es für den Bau unbezahlbar und qualitativ so schlecht, dass es in der Wirtschaft nicht verwertet werden kann. Hochwertige Fichte aus Finnland und Schweden ist für qualifizierte Verwertung deutlich günstiger als deutsche Fichte mit Käferschäden!

Mal am Rande: Deutschland hat die massive Abholzung des Regenwaldes in Afrika zu verantworten. Erklärt es sich auch bereit die dadurch ausgelösten Probleme der betroffenen Staaten zu lösen? Zuerst unkontrollierte Vermehrung der Bevölkerung, dann Trockenheit, Dürre, Hunger. Wird Deutschland die 1.2 Milliarden zu erwartenden Flüchtlinge aufnehmen?

Die massiven Preissteigerungen insgesamt sind hausgemacht. Sie sind nicht wirklich auf den Krieg zu begründen oder auf die Pandemie. Keine Wirtschaftszone hat das Recht dauerhaft auf Kosten der "armen" Nationen ein fortschreitendes Wachstum des Wohlstandes zu erzwingen. 


Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal bearbeitet, zuletzt von »Frá Maurice« (27.04.2022, 20:38)
#8

gyges

,Deutschland

Inwiefern hat Deutschland ( alleine ? ) die Abholzung des Regenwaldes zu verantworten ?
Da waren doch viele Industrieländer daran beteiligt - insbesondere Großbritannien ?
Klären Sie mich gerne auf .

Und richtig - die extremen Preissteigerungen sind hausgemacht! Interessanterweise bekommt man vieles z.B. inTschechien nach wie vor ohne Verknappung und zu normalen Preisen.
Für mich sieht es irgendwie so aus, als ob man in Deutschland die Krise gezielt herbei führt, die Importverbote von russischen Produkten sind jetzt nur noch mal ein weiteres Puzzlestück in diesem Bild. Viele andere Aspekte sprechen dafür , daß man dieses Land BRD ruinieren will. Vor allem durch die Maßnahmen der Regierung in den letzten Jahren. Der Mittelstand wird zunehmend belastet und die Perspektiven sind nicht wirklich rosig.

#9

Frá Maurice

Toronto,Kanada

 

Der Anteil deutscher Firmen oder Beteiligungen an dem Raubbau der 60er und 70er Jahre lag bei mehr als 78 % in den Ländern von Ivory, Ghana bis Zaire. Die deutsche Möbelindustrie und die Fensterbauer verbrauchten in einer Generation mehr tropische Hölzer als als in 500 Jahren nachwachsen können. Aber man hetzt in Deutschland vom hohen Ross aus auf die Schwächeren und Ärmeren - Hauptsache Fortschritt und Wirtschaftswachstum. Afrika hat man nahezu genauso entwaldet wie Deutschland selbst. Jetzt schreit man nach Schutz für den südamerikanischen Regenwald und startet Proteste aus den mahagonivertäfelten Büros der Hilfsorganisationen und Politiker. Die armen Europäer müssen nicht auf das Wohlstandsniveau der Schweiz gehoben werden - sie müssen sich damit abfinden auf ein Niveau zwischen Polen und Bulgarien eingependelt zu werden. 

Und ja, auch Afrikas rasant wachsende Bevölkerung bedroht die natürlichen Ressourcen des Kontinents. Aber die Bevölkerungsexplosion folgte der Wohlstandsmehrung durch die Kolonisierung, welche nicht nur Nachteile für die schwarze Bevölkerung mit sich brachte. Laut UN-Prognosen wird sich Afrikas Einwohnerzahl bis zum Jahr 2050 von heute gut einer Milliarde Menschen auf 2,8 Milliarden Menschen mehr als verdoppeln und dann innerhalb einer Generation weiter auf ca. 4,5 Milliarden anwachsen.

Das lasse sich nur ändern, wenn Frauen und Mädchen bessere Bildung und mehr Mitsprache erhielten, wird heute in den westlichen Nationen gepredigt. "Sie müssen die Methoden der Familienplanung kennen und Zugang zu Verhütungsmitteln haben."

Neben mehr Bildung ließe vor allem mehr Wohlstand die Geburtenraten sinken, wird zudem betont. "Arme Bauern in Ghana brauchen viele Kinder, um ihr Land bewirtschaften zu können. Das wird sich nur ändern, wenn die Landwirtschaft produktiver wird." „Nur wenn die Bauen höhere Preise für ihre Produkte erhielten, können sie Investitionen tätigen, um mehr Ertrag zu erwirtschaften.“ Aber wird nicht auch gepredigt, dass die kleinbäuerliche Familienstruktur die Ernährung sichern und den Hunger weltweit zurückdrängen soll? Nur, dort wo einst wenige hundert lebten müssen sich jetzt Millionen zusammendrängen. Millionen die als Kleinbauern sehr viel Wald roden und zerstören. Man verspricht Preiserhöhungen von 4 – 5 Cent für Kakao und Früchte. Man organisiert und finanziert Farmen im Industriestandard um europäisches Gemüse exportieren zu können. Also Lohnerhöhungen in Deutschland mindestens 300 Euro – für Afrika 4 – 5 Cent. Es lebe die EU und die freie Marktwirtschaft.

 


Dieser Beitrag wurde bereits 4 mal bearbeitet, zuletzt von »Frá Maurice« (28.04.2022, 09:01)
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