Todesriten oder schlichtes "Hinüber" gehen?

<Hierher kopiert von admin:>

Jamie:  Gibt es Dinge die man vor dem Tod oder im Zeitpunkt des sterbens beachten muss? Im Totenbuch, dem Amduat u.a. werden Anleitungen und Formeln ausgesprochen. Da dies jedoch bereits erst später geschah ist die Frage, ob dies in der Ursprünglichen Lehre auch der Fall war.
Bei mir ist die Angst bei einem "unnatürlichen" Tod alles falsch gemacht zu haben.


Wenn Wahrheit Menschen beleidigt, dann ist es unsere Aufgabe als Wissenschaftler sie zu beleidigen. [Satoshi Kanazawa]

©PCMTH 2010

Die Furcht, ja Todesangst vor dem Tod prägt seit Jahrhunderten das Leben der Menschen in den meisten Kulturkreisen. Hervorgerufen durch die Ungewissheit, verbunden mit unterbewussten bis gezielt verfolgten Vorstellungen aus den diversen Religionsbildern, hier insbesondere der  diversen abrahamitischen Bewegungen, erzeugten die Gesellschaften vor allem eine bewusste Verdrängung  von allem, was auch nur auf den Tod hinweist. Umso heftiger schockiert sind dann Betroffene, die einen Angehörigen oder Nahestehenden verlieren und bedürfen gerade in der heutigen modernen Zeit umso häufiger Beistand durch Personen, denen der Umgang mit dem Tod zum Beruf geworden ist. Das war aber längst nicht immer so – vergessen wir einmal die Zeit der Barbarei und diverse, immer wieder aufkommende Rückfälle, in den sogenannten kultivierten Gesellschaften, in denen der zivilisierte Mensch selbst zum Handlanger des Todes wird – und richten unseren Blick auf die Kultur, die völlig abweichend vom üblichen, den Tod als Teil des Lebens, ja als dazugehörig erkannte und dies auch lebte. Hierbei sollte man sich aber frei machen von den weit verbreiteten Irrlehren esoterischer oder anderer häretischer  Bewegungen. Die Ägypter lebten mit dem Tod – sicher aber nicht für den Tod. Jedem war völlig bewusst, dass ihn irgendwann einmal der Tod ereilen wird und jeder war auf seine eigene Weise darauf vorbereitet. Hier waren die religiösen Vorstellungen ein Mantel des Schutzes und der Hoffnungen, welche jedem einen Umgang mit dem Sterben vermittelte, der eine auch nur aufkommende Möglichkeit einer Angst vor dem Tode völlig ausschloss. Hierbei muss aber ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass den Ägyptern die blinde Hoffnung des Abrahamiten auf eine Erlösung genauso fremd war, wie die, den kosmischen Gesetzen widersprechenden, Wiedergeburts- und Reinkarnationslehren asiatischer Religionsvorstellungen. Wovon sollte man auch erlöst werden, von welchem Leiden befreit? Wer solche Möglichkeiten propagiert, ist selbst ein Sklave seiner Ideologie und macht seine Mitläufer zu ebensolchen. Welch hoffnungsfrohes Leben steht einem bevor, in der ständig  präsenten Frage nach dem: Werde ich erlöst? Werde ich von meinem Leiden befreit? Erlösung bedeutet für den Menschen von diesen ganzen Erlösern erlöst zu werden.

Die Vorstellung eines Unsterblichkeits- und Jenseitsglauben ist in Ägypten sowohl mit der Hoffnung auf ein Weiterleben in der Generationsfolge der Kinder und Kindeskinder als auch im Gedächtnis der Nachwelt verbunden. Hier liegen auch Welten zwischen der Unterwelt anderer Kulturen, der biblischen Scheol, dem griechischen Hades und der Vorstellungwelt des Duat der Ägypter. Diese Unterwelt der Ägypter ist kein Totenreich im eigentlichen Sinne, weil man darin einfach nicht tot ist. Denn wer dieses erreicht ist dem Tode tatsächlich entronnen – die Vorstellungen der anderen aber zeigen Orte, denen niemand entrinnen kann.

Augenscheinlich lebten die Ägypter in einer Welt, die uns mehr vom Sterben als vom Leben zu übermitteln scheint. Aber das ist weit gefehlt. Überliefern uns doch diverse literarische Texte ein Bild vom Leben des Volkes, welches mit einer  vermuteten Todespräferenz wenig zu tun hat.

Feiere den schönen Tag / Niemand nimmt mit sich, woran er gehangen, niemand kehrt wieder, der einmal gegangen.

Du aber erfreue dein Herz, um dein Herz Kummer vergessen zu lassen! Gut ist es für dich, deinem Herzen zu folgen, solange du bist.

Der Priester Nebneteru überliefert uns:

Ich machte festlich meine Tage mit Wein und Myrrhe, ich merzte die Müdigkeit aus meinem Herzen aus. Denn ich wusste, dass Finsternis im Tal der Toten herrscht. Nicht ist daher töricht, wer seinem Herzen folgt.

Blindes Zukunftsvertrauen ist illusorisch. Dieser Illusion verfiel bereits Jesus, während ihm die Zeit bereits die unumkehrbare Realität entgegenhielt. Angesichts der möglichen radikalen Zukunftslosigkeit des Lebens ist es allein der Augenblick, den es zu nutzen gilt. Man nutzt ihn indem man mit möglichster Intensität, d.h. mit allen Sinnen lebt und dabei ist. Nur wem aufgeht, dass sein Leben begrenzt und seine Erdenzeit kostbar ist, der vergisst die Alltagssorge um eine illusionäre Zukunft und ist offen für die Gegenwart. Wem diese Einsicht wirklich aufgegangen ist, der öffnet sich dem“ Schönen Tag“.


Die Vergangenheit ist nicht tot. Sie ist noch nicht einmal vorbei (Ramses II.).


Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal bearbeitet, zuletzt von »Frá Theodor« (04.01.2011, 13:43)
#3
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Unbekannt

Gelöscht

Dein Beitrag hat mich wirklich weitergebracht, Frá Reza-Cyrus. Der Text enthält vieles dessen ich mir noch nicht bewusst war und neue Aspekte die betrachtet werden müssen. Auch enthält er eine sympathische Botschaft des loslassens, sich nicht versteifen und die Lebensaufgaben lock(er)er anzugehen. Persönlich neige ich stark dazu die Zukunft mit Visionen und Hoffnungen vollzustopfen anstatt im hier und jetzt zu leben. Ein wertvoller Text über den man immer wieder nachdenken kann, deswegen fügte ich ihn sogleich meinen Notizen hinzu.
Für mich wurde damit eine wichtige Frage geklärt die mir am Herzen lag.
Vielen Dank dafür!
#4
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Bruder Pio

Gast

Das Tibetanische Totenbuch

 In dieser Schrift werden aus der Sicht des Buddhismus der Sterbevorgang und das Leben zwischen Tod und Wiedergeburt geschildert.

Nimm dir Zeit und sieh dir das Video an.

http://video.google.com/videoplay?docid=928882200968191514#

HERZENSGÜTE

Wem klargeworden, daß der Friede des Herzens

das Ziel seines Lebens ist,

der bemühe sich um folgende Gesinnung:

Er sei stark, aufrecht und gewissenhaft,

freundlich, sanft und ohne Stolz.

Genügsam sei er, leicht befriedigt,

nicht viel geschäftig und bedürfnislos.

Die Sinne still, klar der Verstand,

nicht dreist, nicht gierig sei sein Verhalten.

Auch nicht im Kleinsten soll er sich vergehen,

wofür ihn Verständige tadeln könnten.

Mögen alle Wesen glücklich sein

und Frieden finden!

Was es auch an lebenden Wesen gibt:

ob stark, oder schwach,

ob groß oder klein,

ob sichtbar oder unsichtbar,

fern oder nahe,

geboren oder einer Geburt zustrebend:

mögen sie alle glücklich sein!

Niemand betrüge oder verachte einen anderen.

Aus Ärger oder übelwollen

wünsche man keinem irgendwelches Unglück.

Wie eine Mutter mit ihrem Leben

ihr einziges Kind beschützt und behütet,

so möge man für alle Wesen und die ganze Welt

ein unbegrenzt gütiges Gemüt erwecken,

ohne Haß, ohne Feindschaft, ohne Beschränkung

nach oben, nach unten und nach allen Seiten.

Im Gehen oder Stehen, im Sitzen oder Liegen

entfalte man eifrig diese Gesinnung:

dies nennt man Weilen im Heiligen.

Wer sich nicht an Ansichten verliert,

Tugend und Einsicht gewinnt,

dem Sinnengenuß nicht verhaftet ist

für den gibt es keine Geburt mehr.

SUTTA NIPATA 143-152

 Siddharta:

Er lehrte, dass jenseits der Welt des Elends Frieden oder Nirvana ist, der nur von den Reinen erreicht werden kann. Und nur diejenigen, die sich von gewalttätigem Leben, sowohl auf der körperlichen, als auch auf der geistigen Ebene, zurückhielten, könnten die Wahrheit kennen.

 Ich denke, es gibt viele Lichtgestalten, die uns den Weg zeigen.Nur muss man den Spreu von Weizen trennen. Siddharta war ein großes Geschenk für die Menschen.

 Im tibetanischen Totenbuch  werden aus der Sicht des Buddhismus der Sterbevorgang und das Leben zwischen Tod und Wiedergeburt geschildert.

Ich habe das Buch mit Begeisterung gelesen.

 p.s

"Steh auf und zögere nicht,
gehe dem reinen Leben nach!
Wer Tugend lebt, bleibt selig,
in dieser Welt,
wie auch der nächsten."

duhkha, es gibt Leid;
samudaya, Leid hat eine Ursache;
nirodha, Leid kann überwunden werden; und
marga, es gibt eine Methode, mittels derer man Freiheit von allem Leid erlangen kann.


Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal bearbeitet, zuletzt von »Frá Theodor« (04.01.2011, 19:52)

Zu dem Beitrag von Bruder Pio möchten wir darauf hinweisen, dass das Totenbuch der Tibeter, welches eigentlich mit Bardo Thödol bezeichnet wird, eine im 8. Jahrhundert erstellte Abwandlung eines ägyptischen Totenbuches ist. Wer sich dem Inhalt einmal widmet, wird die Übereinstimmungen schnell erfassen.


Die Vergangenheit ist nicht tot. Sie ist noch nicht einmal vorbei (Ramses II.).

#6

Dennis

Biere,Deutschland

Die Schwelle des Todes überschreiten.

Wenn man so etwas zu hören bekommt, zusätzlich sich mit dem Thema des Templerordens auseinander setzt, kann man ja nur zu dem Schluss kommen, das selbst der Tod -Leben- ist, da der EINE eben Alles ist

Wie aber "übertritt" man eine Schwelle, die man nicht kennt? Vor allem, wenn es um Tod und Leben geht?
Bei den Texten heißt es, das man sterben muss um zu Gott oder dessen Idee zu kommen.

Aber wer will denn sein Leben gern "abgeben"? Hat man nicht Jahre darauf aufgebaut, sich ein Leben zu erschaffen. Hat man nicht jahrelang versucht sich etwas aufzubauen?

Warum sollte man dies der Zeit überlassen? Warum leben, wenn man doch sterben "soll"? Um Gott zu "sehen"?

Hier fällt mir ein, das man den Tod verachten soll. Ich mag das Leben, also warum soll ich sterben? Beziehungsweise...was ist das Sterben?

Wollte Gott, das man sich selbst dem Tod übergibt? Selbstmord zum Beispiel? (Nur Gedankenspiel, ich werde mich nicht irgendwo runter stürzen, falls das hier gedacht werden sollte. Dafür ist mir mein Leben zu lieb.)

Also was ist "richtiges sterben"?

Templergräber sind leer, würde bedeuten, das man seinen Körper behalten kann. Ist dies nun aber möglich, denke ich an den Film Highlander, muss ja der "gealterte" Körper wieder eine Form der Jugend annehmen, sozusagen müssen die Körperzellen sich neu regenerieren. Aufladen. Dies würden auch einige weitere Aussagen unterstützen.

So unglaublich dies vielleicht klingen mag, so glaubwürdig erscheint es.
Dieses Wissen aber, sollte sehr gut geschützt sein.

#7

Frá Pierre

Québec,Kanada

Manchmal kann sich ein Suchender viel Verwirrung und damit auch Unsicherheit, ja Angst vor Entwicklung selbst ersparen, wenn er nur in der Lage wäre bereits geschriebenes auch zu lesen und zumindest den Versuch zu wagen dieses zu erfassen.

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