In früher christlicher Tradition wurde die Erde als ein Jammertal bezeichnet und das Leben als ein Weg des Leidens. Erst die Reformation und infolge dieser, die Aufklärung und der ausufernde Humanismus brachten neue Gedanken in dieses festgefahrene Dilemma des christlichen Glaubens. Aber der hierauf aufkeimende Atheismus brachte auch keine wirklich annehmbare Veränderung. Eines der am häufigsten wiederholten Argumente der Atheisten, die die Existenz Gottes nicht nur anzweifeln, sondern schlichtweg verleugnen, ist, dass so ein gütiger Gott viel Leid und Elend im Leben zulässt. Wie kann ein barmherziger und gerechter Gott die Menschen und ihre Umwelt mit Leid und Katastrophen versehen? Doch damit wird man weder unserer Erde noch der Schöpfung insgesamt gerecht. Wie viel Schönheit findet sich in der Natur, in den wunderschönen Landschaften, der Pflanzenwelt mit ihrer Blütenpracht, ja auch der Schönheit der Tierwelt einschließlich der Menschen. Man könnte das Leben hier sicher genießen, wenn man es verstehen würde, dem Leben gute Bedingungen zu schaffen. Viele finden immerhin das irdische Leben noch so erstrebenswert, dass sie nicht sterben möchten, vielmehr entwickeln die meisten eine direkt panische Angst vor dem Tode. Aber leider ist es zumeist allein die Unkenntnis unserer zukünftigen Seinsform, welche Menschen an diesem Leben haften lässt.
Der Religionsstifter und sogenannte Apostel Paulus hat es im Brief an die Galater in Kapitel 6,5 so geschrieben: "Denn ein jeder wird seine eigene Last tragen" und zwei Verse weiter: "Irret euch nicht! Gott lässt sich nicht spotten. Denn was der Mensch sät, das wird er ernten."
Das macht durchaus Sinn und die Menschen würden sehr gut darin handeln, sich zu überlegen, welche Saat sie in ihrem Leben aussäen. Sicher kann der Leser sich jetzt über diesen Ton von Warnung und Drohung ärgern, aber er könnte auch die ungeheuren positiven Möglichkeiten für das Leben als solches sehen. Wir wollen alle glücklich werden, nur genau das fangen wir meist falsch an, denn wenn wir nur für unser eigenes Glück arbeiten, säen wir Egoismus aus und werden als Ernte den Egoismus der anderen zu spüren bekommen. Diese Lehre von Saat und Ernte ist im Christlichen als "Sünde" bekannt.
Den Religionsstiftern des Christentums war sehr daran gelegen, sich selbst und den ihnen Nachfolgenden zu einem glücklichen Leben zu verhelfen. Jesus: "Trachtet am ersten nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch alles andere hinzu gegeben werden" (Matth. 6, 33). Paulus: "Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen."
Also geht es im christlichen Glauben nicht darum, das Lebensglück direkt anzustreben, sondern "nach dem Reich Gottes zu trachten", "eine spirituelle Anstrengung zu machen" oder "Gott zu lieben". Dann wird es dem Gläubigen gut gehen. Wir wollen versuchen, zu erläutern, was dahinter steht. Nehmen wir mal an, unsere Erde sei nicht die Hölle, als die viele diese inzwischen betrachten, sondern eine Schule. Aufgabe einer Schule ist, dass die Schüler lernen. In unserer Lebensschule hieße das, dass wir lernen, vollkommen zu werden (Jesus in Matth. 5, 48: „Darum sollt ihr vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist“). Wie ein Schuljahr nach dem anderen lebt also der gläubige Christ hier sein Leben, um die Vollkommenheit zu erwerben. Wie kann der gläubige Christ nun "nach dem Reich Gottes trachten" oder "eine spirituelle Anstrengung“ machen? Die Antwort kann nur von seinem Inneren (Hohen Selbst) kommen. Je mehr der Mensch jedoch in innerer Unruhe ist, desto schlechter wird er die innere Stimme hören. Das Leben der meisten Menschen ist jedoch in der Jetztzeit von unerträglicher Unruhe bestimmt. Sie hören die innere Stimme nicht. Wäre es nicht besser, jeden Tag eine Zeit der inneren Ruhe einzuhalten, um nach innen zu hören, um Antwort auf die Frage zu finden: "Läuft mein Leben in die Richtung, die ich möchte?" Wenn nicht, was kann ich ändern? Es spielt keine Rolle, wie oft man sonntags zum Gottesdienst geht, obwohl der Sonntagsgottesdienst eine gute Gelegenheit sein könnte, auf die innere Stimme zu hören. Unglücklicherweise wird aber in den christlichen Gottesdiensten nicht nur zu viel gesprochen, sondern einfach zu viel geredet, so dass das kaum möglich ist.
Leid als Infragestellung des Glaubens oder als Erschütterung aller Grundüberzeugungen zu erfahren ist ein biblisches Thema. Die alttestamentliche Gestalt des Hiob muss unvorstellbare menschliche Qualen über sich ergehen lassen. Seine verzweifelte Frau ruft deshalb: „Hältst du noch fest an deiner Frömmigkeit? Fluche Gott und stirb!“ Anders reagieren seine anteilnehmenden Freunde. Sie diskutieren über das sinnlose Leiden und bringen genau die Argumente vor, die Jahrhunderte später in abstrakterer Form wiederauftauchen. Generationen von Philosophen und Theologen mussten sich angesichts der Frage, wie Gott universales oder individuelles Leid zulassen könne, angesichts der Theodizeefrage also, geschlagen geben. Sie gerieten in größte Verlegenheit, die Vorstellung von Gottes Allmacht mit konkreten Erfahrungen des Leidens zusammenzudenken.
Katastrophen sind im Zusammenhang religions- oder ideologiekritischer Debatten immer der stärkste Einwand gegen den Gottesglauben, genauer gesagt: gegen eine bestimmte Gottesvorstellung.
Die Bibel schildert sowohl erschütternd und zugleich menschlich, dass auch Jesus in seiner Todesangst das ganze Ausmaß der Gottverlassenheit spürt. Ausgerechnet in seiner Verzweiflung lassen ihn seine Wegbegleiter und Jünger allein. Sie schlafen erschöpft ein, obwohl er sie gebeten hatte, mit ihm zu wachen. Jesus ringt in der letzten Nacht unter den knorrigen Ölbäumen im Garten Gethsemane mit Gott darum, dass der bittere Kelch des Kreuzestodes an ihm vorübergehen möge.
Doch der Qual des Kreuzes kann er nicht entgehen. Er schreit am Kreuz: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ In der neutestamentlichen Überlieferung wurde die Anstößigkeit dieses Schreis später zunehmend abgeschwächt, wohl aus dem sicheren Empfinden, dass im Kreuzesschrei Jesu die Frage nach Gottes Existenz in schneidender Schärfe gestellt wird.
Trotz aller unheilvollen Verherrlichung des Leidens, die es in der Geschichte des Christentums auch gegeben hat, steckt in Jesu Schrei die christliche Antwort auf die Theodizeefrage. Denn hier ist Gott nicht mehr der Angeklagte der skeptischen Fragen, sondern die Antwort liegt in dieser Frage selbst.
Gott verwickelt sich selbst in die Leidensgeschichte der Menschen, er ist ihnen im größten Ausgeliefertsein besonders nah, weil er selbst leidet. Aus dem Leiden der Menschen wird das konkrete Leiden Gottes. Im Vergleich zu philosophischen Gottesvorstellungen der Antike spiegelt sich darin ein völlig neues Gottesverständnis: Die christliche Religion kündet in der Gottessohnschaft von einer Weltzuwendung Gottes, wie sie in dieser Form lange nicht mehr gedacht worden war.
Jesus stirbt für die Welt. Gott gibt seinen Sohn dahin. In dieser Selbsthingabe wendet sich Gott der Welt mit all ihren Unzulänglichkeiten und ihrem Leiden zu. Seither ist es unmöglich geworden, die Frage nach Gott zu stellen und gleichzeitig von seiner Hinwendung zur Welt abzusehen. Der christliche Gott ist kein abstraktes Gegenüber, kein ferner Weltenlenker, sondern ein weltzugewandter Gott. Dafür steht das Kreuz.
Im Jahre 2007 erschien die deutsche Ausgabe des Buches “Der Gottes Wahn” von dem Evolutionsbiologen Richard Dawkins. Sein Werk war binnen weniger Tagen ein Bestseller und erreichte innerhalb weniger Wochen zweistellige Auflagen. Dawkins fasst seine Überlegungen über den Gott der Monotheistischen Religionen wie folgt vulgär zusammen: “Er ist eifersüchtig und auch noch stolz darauf, ein kleinlicher, ungerechter, nachtragender Überwachungsfanatiker; ein rachsüchtiger, blutrünstiger ethnischer Säuberer…”.
Ist Gott tatsächlich ein ungerechter, wie Dawkins behauptet und anführt?
Frá Sidonie de Chevreuse
Ritter des Tempels
- Zwar hat die menschliche Unvernunft nicht zugenommen. Ruinös angestiegen ist jedoch die Zahl der Unvernünftigen -