Paradiesische Ideen lassen sich zwar weltweit finden, dies bedeutet jedoch nicht, dass solche in allen religiösen Strömungen und Kulturen aufgegriffen wurden. Das Bild eines solchen Paradieses wird jedoch überwiegend von einem friedlichen, angenehmen Ort getragen. Auch in diversen Lexika für Theologie wird mit Paradies ein Ort beschrieben, der generell in Idealvorstellungen von Schönheit, Harmonie, Glück und Sehnsucht nach Erlösung von Leid und nach Unsterblichkeit gesehen wird. Und doch gibt es da bereits die Schwierigkeit einer Trennung in zwei verschiedene Orte. Einmal gab es in der theologischen Literatur das Paradies des Ursprungs, welches die ersten Menschen in ihrem egoistischen Trieb nach Freiheit und Selbstüberschätzung verspielten. Es endete in der Vertreibung und der Erblast des Sündenfalls. Ohne jeden Zweifel muss dieses Paradies als irdischer Ort des Anfangs erkannt werden. Das zukünftige Paradies, als himmlischer Ort der Erlösung, ist jedoch völlig unbestimmt und einer vernunftbestimmten Vorhersage entzogen. Hier entbehrte schon immer der Fantasie der Menschen jegliche Einschränkung.
Das irdische Paradies, der Garten Eden der griechischen Bibelübersetzung, wird mit einem Wort bezeichnet, welches aus dem altpersischen entlehnt ist und eigentlich bedeutet „von einem Wall (Mauer) umgebener Garten“. Es bezeichnet also eine typische Gartenanlage des Orients. In der Bibel findet man die Bezeichnung Paradies im Buch Moses überhaupt nicht. Nur im Hohelied findet man den Wortstamm, der hier aber mit Lustgarten zu übersetzen ist. Im Koran wird das gleiche Wort in seiner arabischen Form verwendet. Die Geschichte des ersten Paradieses ist daher auch für Judentum, Christentum und Islam aus dem gleichen Erzählungsstamm gebildet. Die älteste Überlieferung stammt aus dem Jahwistischen Geschichtswerk welches in der Zeit der babylonischen Gefangenschaft verfasst wurde. Dieser irdische Lustgarten beschreibt das Verhältnis zwischen Menschen, Gott und Natur. Dieses ist gezeichnet von Harmonie, in der es keine Schmerzen gibt und es den Menschen an nichts mangelt. Trotzdem sind Müßiggang und Überfluss, die in vielen anderen Paradiesvorstellungen hervorgehoben werden, nicht vorhanden. Die Vorstellung eines Paradieses, in dem das Genießen zum Dauerzustand wird, ist dem Alten Testament völlig fremd. Diese Vorstellung geht zusammen mit einem Menschenverständnis, in dem die körperliche Arbeit eine niedere und unterbewertete Beschäftigung ist. In der Schöpfungserzählung wie im ganzen Alten Testament ist die Arbeit als ein Wesensbestandteil des Menschen und des Menschlichen angesehen. Ein Leben ohne Arbeit könnte hier nichts volles, erfülltes Leben sein, es wäre kein menschenwürdiges Dasein.
Die paradiesische Eigenschaft des Gartens wird in die Nähe zu Gott angesiedelt. Für die drei sogenannten monotheistischen Religionen endet diese ursprüngliche Geschichte des Paradieses mit einem Drama. Gott verweist die Menschen als gefallene – misslungene Schöpfung – aus dem Garten Eden.
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Frá Valérie« (09.10.2020, 18:49)