#1
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In späteren Schöpfungsmythen, die nach der ursprünglichen Lehre beeinflusst wurden wird ATUM meist menschlich dargestellt/beschrieben.
Es gibt verschiedene Versionen und Zeitabstände aber eines haben sie gemeinsam: Aus einem Anfangs unsichtbaren, erhabenen Gott wurde von Menschen ein durch und durch fassbarer Gott gemacht. Wenn beschrieben wird, ATUM habe den ersten Fuss auf Boden gesetzt, oder wenn er weinte über Begebenheiten. All dies sind menschliche Attribute.
Die Frage stellt sich für mich warum es sich in diese Richtung entwickelte, natürlich musste das einfache Volk es auch verstehen können doch ist dazu eine Vermenschlichung vonnöten?
#2

Frá David

Tel Aviv,Israel

Jamie es wäre sicher sinnvoll, wenn du eine solche Erzählung hier einmal einstellen würdest und auch eine Quelle angeben könntest. Interessierte Leser wenden sich sonst per Mail an uns, um zumindest grundsätzliche Informationen zu erhalten.


 - Wenn du ein Problem erkannt hast und nichts zur Lösung des Problems beiträgs wirst du selbst zum Problem -

#3
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Unbekannt

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Keineswegs möchte ich dem Tempel zusätzliche Arbeit aufbürden. Diesmal habe ich jedoch absichtlich keinen konreten Text genannt um die Betrachtungsweise nicht zu stark zu fixieren. Als anschauliches Beispiel sei hier Beispielsweise dieser Text genannt. Zitat:



"Am Anfang

... herrschte das Chaos auf der Erde, sein Name war „Isfet" - ein ungeordneter Urzustand in absoluter Finsternis weit vor jeder Schöpfung. Wasser bedeckte die Oberfläche der Welt, das Urmeer, das „ Nun" genannt wurde und in dem bereits alles Leben unerschaffen enthalten war.

In diesem Meer erschuf sich der Gott Atum aus eigener Kraft und eigenem Willen, indem der seinen Namen aussprach. Er schwamm an die Wasseroberfläche und an der Stelle, an der er auftauchte, entstand das erste Stück Land, der „Urhügel".

Atum erschuf seinen Sohn, den Luftgott Schu, indem er ausspuckte und seine Tochter, die Göttin der Feuchtigkeit Tefnut, indem er sich übergab. Eines Tages verschwanden Schu und Tefnut und Atum war so sehr in Sorge, dass er weinen musste und aus seinen Tränen entstanden die Menschen. Er sandte eines seiner Augen aus, um die beiden zu suchen. Während das Auge den Aufenthaltsort der Götterkinder ausfindig machte, formte Atum sich ein neues Auge, das er an die Stelle des alten setzte.
Als das ausgeschickte Sinnesorgan mit den vermissten Kindern zurückkehrte und merkte, dass sein Platz neu vergeben war, wurde es sehr zornig, so dass Atum es sich an seine Stirn setzte, von wo aus es die ganze Welt überblicken konnte, die Atum nun gestalten wollte: Das Urgewässer zog sich in die Erde zurück und hinterließ als Erinnerung an seine Gegenwart den Nil. Usw."


Quelle: http://www.pcmthdietempelherren.org/spiritualitaet/die-templer---templerwege/die-religion-des-osiris---isis---kultes-teil-ii.php



Bestimmt können auch "neuere" Besucher und interessierte etwas Einsicht durch den Text gewinnen, worauf ich in meiner Frage hinaus will.

#4

Frá Konstantin

London,Großbritannien

Diese Frage greift der Beantwortung deiner Frage nach den Geheimnissen der Mysterien weit voraus. Du begibst dich gedanklich inzwischen in das Mittlere Reich. Mit dem Untergang des Alten Reiches und der mühsam und beschwerlich überwundenen Ersten Zwischenzeit hatten sich auch die religiösen Verhältnisse, ja die Grundlagen des Staates deutlich verändert.  Wer erwarten würde, dass man sich nach dem überstandenen Staatszusammenbruch auf die Größe des Alten Reiches besinnen würde, der liegt völlig falsch. Die Besinnung auf das Alte Reich erfolgte frühestens wieder im Neuen Reich, welches sich als eine Art Pantomime, als Theateraufführung des Alten Reiches zeigte. Im Mittleren Reich erinnerte man sich dem Chaos, der Verkehrung der menschlichen Ordnung und dem Unglück der zusammengebrochenen Zentralherrschaft, welche das ganze Land ins Elend stürzte. Obwohl diese Phase eigentlich für ägyptische Verhältnisse relativ kurz war, prägte sie doch das Leben aller nachfolgenden Generationen. Der Begriff Chaos, der den Ägyptern bis dato unbekannt war, bekam hier eine tiefe und prägende Bedeutung. Von diesem Zeitpunkt an blickten sie auf ein Zeitalter zurück, welches eine Phase katastrophaler Zustände für sie bedeutete und hoben das Mittlere Reich damit auf den Sockel  des Goldenen Zeitalters, der rettenden Wiederherstellung von Frieden und Ordnung.

Mit der Umstrukturierung der politischen Ordnung, auf die wir an anderer Stelle zurückkommen werden, war auch eine signifikante Veränderung im Religiösen verbunden. Deutlich wird dies z.B. an der Veränderung der Bestattungsarten. Es zeigt sich eine deutliche Zunahme von Bestattungen aus einem wesentlich umfangreicheren Personenkreis als im Alten Reich.  Die Religion war demotisiert worden. Damit aber war verbunden, das die bisherigen Vorstellungen, die die alten Lehren vermittelten auch profaniert wurden. Voraussetzung für den Eintritt der breiten Masse in die Glaubenswelt der Elite, war eine Übermittlung auf eine Art und Weise, die bei der Masse auch ansprechend und verständlich vorgetragen wurde. Kosmische Vorgänge, die in älteren Schriften noch in einer noch heute sinnvoll nachzuvollziehenden Form abgebildet sind, verschwinden in einer   fantasievollen Bilderwelt menschlicher Vorstellungskraft der damaligen Zeit. Es ist eine Zeit in der der globale Kanon der alten Vorstellungen in lokalen Traditionen untergeht.


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Wie unglücklich sind doch die Menschen in ihrer Unwissenheit, aber wie tief müssten sie sich selbst verachten, wäre es ihnen möglich, sie zu erkennen.

#5
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Unbekannt

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Die Erklärung ist wie immer sehr ausführlich, Frá Konstantin. Vielen Dank dafür. Dass ich gedanklich einer anderen Frage "zuvor" kam war natürlich keineswegs beabsichtigt, es greift wohl ineinander da meine Fragen oft um ähnliche Themen kreisen.
Ich musste den Beitrag meinen Notizen hinzufügen und die Erkenntnis lichtet den Weg des Dschungels der Unklarheit.
Es ist auch nicht so einfach als Laie zu erkennen wie gewisse Einflüsse oder Glaubensformen in die Religionsentwicklung einfliessen konnten.
Herzlichen Dank für die Ausführungen!
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