Ist es wirklich so schwer, die Wahrheit zu erkennen
Diktatoren und Tyrannen – Macht in den Händen pseudo-elitärer Krimineller
Wenn Diktatoren von Krieg und Vernichtung sprechen, wird ihnen selten geglaubt. Stattdessen deutet man ihre Aussagen allzu gerne um. Dabei muss stets mit dem Ausbruch von Wahnsinn gerechnet werden. Am schwierigsten sei es, just das zu erkennen, was sich unmittelbar vor der eigenen Nasenspitze befindet, schrieb einst der große George Orwell. Gerade Intellektuelle litten häufig an Realitätsblindheit, unter anderem deshalb, weil sie die Fähigkeit besäßen, zwei Dinge gleichzeitig zu denken, die logisch nicht miteinander in Einklang zu bringen sind. "Wir sind alle fähig, Sachen zu glauben, von denen wir wissen, dass sie unwahr sind", schrieb Orwell, "und wenn man uns endlich beweist, dass wir im Unrecht waren, können wir die Fakten schamlos so lange hindrehen, bis sie zeigen, dass wir doch Recht hatten. Dieser Prozess lässt sich auf intellektuelle Weise endlos durchhalten – der einzige Test besteht darin, dass ein falscher Glaube früher oder später mit der harten Wirklichkeit zusammenzustoßen pflegt, für gewöhnlich auf einem Schlachtfeld."
Dieser Befund ist heute so richtig, wie er es kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war. Hier sind vier rhetorische Figuren, die es zurzeit oft schwierig, manchmal sogar unmöglich machen, die Realität vor der eigenen Nasenspitze zu sehen.
Am schönsten ließe sich diese Figur in der Zeit studieren, als Ahmadinedschad iranischer Präsident war. Nachdem er in einer Rede geäußert hatte, es sei das Ziel der "Islamischen Republik Iran ", Israel von der Landkarte zu radieren, meldeten sich sofort viele der selbsternannten Nahostexperten zu Wort, die beweisen konnten, dass Ahmadinedschad gar nicht wirklich von der Vernichtung Israels gesprochen habe. Der persische Originaltext lege vielmehr die Übersetzung nahe: "Das zionistische Besatzungsregime muss aus den Seiten der Zeit gestrichen werden", und das bedeute lediglich, dass Ahmadinedschad eine Volksabstimmung in Israel und den Palästinensergebieten über die Frage befürworte, ob in dieser Region ein jüdischer Staat existieren soll.
Mittlerweile nutzt die "Islamische Republik Iran" das Geld, das ihr jetzt nach dem Ende der Sanktionen zur Verfügung steht, vor allem dazu, um munter konventionell aufzurüsten und den Auslandsgeheimdienst um ein mehrfaches auszubauen. Bei dieser Gelegenheit hat das iranische Regime vor kurzem zwei neue Raketen testen lassen – beide mit der Aufschrift: "Israel muss von der Landkarte radiert werden." Damit der zionistische Erzfeind die Drohung auch nur ja versteht, war die Drohung zweisprachig abgefasst – Farsi und Hebräisch. Und die hebräische Fassung lässt an der Intention der "Islamischen Republik Iran" nun keinen Zweifel mehr zu. Wer in dem derzeitigen Präsidenten einen Präsentanten einer prowestlich orientierten Politik vermutet, der dürfte bald eines besseren belehrt werden. Der Iran treibt massive Pläne zur Ausweitung seiner Macht und seines Einflusses voran. Syrien und Jemen sind nur Ereignisse, deren Hintergründe kaum zur Oberfläche durchscheinen. Derzeit arbeitet man gemeinsam mit Russland daran den Westen so massiv zu destabilisieren, dass es in der islamischen Welt wie das persönliche Eingreifen Gottes wirken könnte, wenn der Iran dem Westen die Verantwortung für den gesamten islamischen Raum abnimmt.
Wiederum stammt das deutlichste Beispiel aus dem Nahen Osten: Manche Kommentatoren behaupteten, am Aufstieg der "Islamischen Republik" sei in Wahrheit George W. Bush schuld, weil er mit dem Sturz Saddam Husseins den religiösen Fanatikern das Terrain bereitet habe. Dieses Scheinargument unterstellt, im Zweistromland und in Syrien gebe es keine bewussten Akteure – gerade so, als hätte es nach dem Sturz des Diktators nur die eine, einzige Wahl gegeben, ein sunnitischer (oder schiitischer) Extremist zu werden.
Leben im Nahen Osten aber nicht auch ein paar erwachsene Menschen, die sich anders hätten entscheiden können? Selbstverständlich ist die Frage legitim, ob der Irakkrieg eine kluge Idee war, trotzdem gilt es festzuhalten: Am Aufstieg der Terrormiliz Islamischer Staat sind zunächst einmal seine Unterstützer schuld. Diese jedoch sollte man nicht dort suchen wohin die westlichen Medien, gezielt unterwandert und richtungsinstruiert, den Blick des Westens zwingen wollen. Der islamische Staat „sunnitischer Prägung“ ist ein Kind der schiitisch islamischen Republik. Ein politischer Schachzug von besonderer Größe und auch Bedeutung, aber nur einer von vielen in der näheren Vergangenheit in dem der Westen der Aggressionspolitik der Mullahs auf den Leim ging.
Auch für Donald Trump gelten solche medial wirksamen Spiele; auch hier kursiert ja das Argument, für seinen Aufstieg seien im Grunde die Republikaner und die Demokraten verantwortlich, weil sie sich zu wenig um die weiße amerikanische Mittelklasse gekümmert haben, die nun mit Recht sauer sei. Das mag so sein, trotzdem sollte man besser sagen: An Donald Trump ist vor allem Donald Trump schuld – und wer als erwachsener Mensch einem rassistischen Demagogen seine Stimme gibt (aus welchem Grund auch immer), der weiß, was er tut. Er wählt ihn nicht trotz, sondern wegen seines Rassismus.
Übrigens ist die hier beschriebene rhetorische Figur eine Ableitung des beliebten Klischees der üblichen Verschwörungsprediger mit kommunistisch/marxistischem Hintergrund "Hinter XYZ steckte eigentlich ABC". Beliebte Beispiele: "In den Glaubenskriegen des 17. Jahrhunderts ging es eigentlich um Macht und Geld"; "Im amerikanischen Bürgerkrieg ging es in Wahrheit um ökonomische Motive, nicht um die Sklaverei"; "Das Christentum/Der Islam/Der Liberalismus dient nur dazu, die Interessen der herrschenden Cliquen zu bemänteln". Solche Erklärungsmuster sind vornehmlich unter Marxisten, nicht allein von der vulgären Sorte, verbreitet, sie werden in jüngster Zeit aber auch gern von Konservativen hergezogen.
Ihr historischer Nutzwert ist zweifelhaft; und von Verschwörungstheorien sind solche Formeln nur die Breite eines Haares entfernt. Vor allem leugnen sie die Macht, die Ideen in der Geschichte haben: Selbstverständlich ging es in den Glaubenskriegen um die Frage, ob der Leib Christi im Abendmahl wirklich oder nur symbolisch zugegen ist, und ohne Zweifel war Abraham Lincoln von Anfang an ein entschiedener Feind der Sklaverei, auch wenn er das aus politischen Gründen in seiner "First Inaugural Address" wohlweislich verschwieg.
Derzeit von weltpolitischer Bedeutung und inzwischen von gefährlicher Prägnanz: Wladimir Putin wird die Ukraine nicht angreifen, weil er genug Probleme zu Hause hat und ihm an einem weiteren Konflikt mit dem Westen nicht gelegen sein kann. Oder: Baschar al-Assad wird keinen ethnisch-religiösen Bürgerkrieg anzetteln, um sich an der Macht zu halten, weil ihm klar sein muss, dass ein solcher Krieg das Ende Syriens bedeuten würde. Oder: Die Republikanische Partei wird nie und nimmer Donald Trump nominieren, weil sie sich ebenso gut einen Colt an die Schläfe halten und abdrücken könnte.
Hinter solchen Beschwichtigungsformeln steckt die Annahme, dass Menschen sich immer vernünftig verhalten – eine Annahme, die durch keinerlei historische Erfahrung gedeckt ist. Beinahe die ganze Geschichte des 20. Jahrhunderts wäre ein gewaltiges Rätsel, wenn wir davon ausgehen müssten, dass die Akteure sich dabei rational verhalten hätten: Es gibt keinen einsichtigen "Grund" für den Ersten Weltkrieg, die Massenmorde Lenins und Stalins, für den deutschen Völkermord an den Juden oder Mao Tse-tungs "großen Sprung nach vorn", bei dem Abermillionen (42 – 69 Millionen) Chinesen verhungerten. Wenn Politiker oder sonstige Führungskräfte vernünftig handeln, wenn sie sich und andere nicht ins Unglück stürzen, so ist das eine Errungenschaft, die gefeiert werden sollte. Es ist aber tatsächlich die Ausnahme, nicht die Regel.
Eines sollte man derzeit nicht aus den Augen verlieren: es muss immer mit dem Ausbruch von Wahnsinn gerechnet werden. Deswegen sollte man (auch verdeckten) Diktatoren glauben, wenn sie offen ihre Absichten erklären; und man sollte nicht nach komplizierten Begründungen suchen, wenn die Dinge auf der Hand liegen, der wache Verstand und die menschliche Vernunft es nahe legen.
- Wenn du ein Problem erkannt hast und nichts zur Lösung des Problems beiträgs wirst du selbst zum Problem -
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Frá David« (20.03.2016, 17:54)