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Sydney,Australien

eine gefährliche Abseitsfalle moderner Industrienationen, oder eine Entwicklung, hin zu mehr Normalität in übervölkerten Gesellschaften?

Die Ballungszentren um die deutschen Großstädte zeigen es deutlich: Die deutschen Städte sind begehrt. Hier finden die Bewohner attraktive Jobs und ein buntes Kulturangebot, hier gibt es Betreuungsplätze für die Kinder, vielfältige Einkaufsmöglichkeiten und einen gut ausgebauten öffentlichen Nahverkehr der  Mobilität einfach macht. Immer mehr Menschen ziehen deshalb in die Städte. Dies ist keineswegs eine Entwicklung die spontan über das Land kam – diese Entwicklung war bereits seit den frühen 60er Jahren in Deutschland abzusehen und hatte in den USA bereits in den 50er Jahren einen gern geleugneten Vorläufer. Der Tempel hatte zunächst versucht die europäische Politik auf diese Entwicklung und auf wesentliche in der Städte- und Länderplanung zu berücksichtigende Faktoren hinzuweisen, scheiterte jedoch an den parteiübergreifenden egoistischen und kleinlichen Interessenverfolgungen selbst der Landräte und kleiner Bürgermeister. In den sogenannten Gebietsreformen der 70er Jahre wurde eine Politik festgeschrieben, welche jeglicher Vernunft entbehrte und zur Verschwendung von Milliardenbeträgen an Steuergeldern führte. Gelder, welche heute noch verzinst und ungetilgt die Haushalte der Kommunen, Länder und des Bundes belasten.  Man suchte eine sogenannte „Landflucht“ zu unterbinden und schaffte im großen Stil, in bisher ehrenamtlich verwalteten Gemeinden, Posten für öffentliche Angestellte und Beamte. Die Bürger wurden mit politischen Versprechen geködert und mit unsinnigen und überflüssigen Bauwerken geblendet. Kleinste Gemeinden bekamen einen Straßen-, Kanal-, und Wasserleitungsbau verordnet, welcher heute zu nicht mehr  tragfähiger Folgekosten führte. Hinzu kamen die Kulturgebäude, wie Gemeindehäuser, Bürgerämter, Sozialstationen, Schulen, Kindergärten, Sporthallen,  Sportanlagen  und Friedhofshallen, welche völlig überdimensioniert und inzwischen überwiegend ungenutzt in der baulichen Unterhaltung zu erheblicher Belastung der Haushalte führen. Aber damit nicht genug, jeder Hobby- oder längst aufgegebene landwirtschaftliche Betrieb erhielt Zuschüsse, welche über Nebenerwerbsbetriebe gerechtfertigt wurden, zu Modernisierung, Aussiedlung und Aufstockung – und natürlich zu jedem noch so kleinen Acker einen ausgebauten Feldweg, zu jedem Holzschlag einen befestigten Waldweg. Nicht zu vergessen die vielen Eigenheimprogramme, welche auch der finanzschwächsten Arbeiterfamilie ein „Häuschen auf dem Lande“ sicherten und nicht zu vergessen die zehntausende Kilometer an Fahrradwegen, selbst in gebirgigsten Landschaften und abgelegensten Dörfchen. Unnütze Investitionen, die zum einen Kapital der Bürger banden und zudem die finanziellen Mittel der Gemeinden und Städte bei weitem überforderte.  Finanzschwache Länder wurden durch die „Starken“ unterstützt – die Verschwendung musste ja Flächendeckend vorangetrieben werden. Sicher, so schaffte man Umsatz, so schaffte man Kapital und so war man in der Lage die Steuereinnahmen insgesamt in für viele kaum vorstellbare Höhen zu treiben. Die, durch glückliche Fügung und völlige wirtschaftliche Unfähigkeit der DDR, eingetretene Wiedervereinigung war dann Anlass zu unkontrollierbarer und ungebremster Massenverschwendung von Steuergeldern. Im Westen längst erkannte und auch bereits angegangene politische Fehler wurden jetzt neu aufgelegt und ins, weder politisch noch wirtschaftlich vertretbare, Unmaß getrieben. Die sicht- und spürbaren Folgen sind ein Staatshaushalt am Rande des Bankrottes und politische Zukunftsversprechen am Rande der Illegalität.

Die Menschen suchen sich ihr Leben, in einem durch Politik und Wirtschaft erzeugten Umfeld von Verängstigung und Unsicherheit,   mit einem Höchstmaß an Annehmlichkeiten zu vereinfachen und das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden. Die Politik ist hier nicht mehr in der Lage, diesen Bürgerwünschen Folge zu leisten. Die Milliardeninvestitionen in ländliche Gegenden waren nicht in der Lage den Ausgleich zwischen Standortvorteilen und Lebensqualität überzeugend zu bewältigen.  Die Kehrseite des Städtebooms ist in der Provinz deutlich zu sehen. Die ländliche Infrastruktur steht bundesweit vor dem Kollaps. Die Jungen ziehen weg und hinterlassen leerstehende Häuser und alte Menschen, die entweder nicht mehr wegziehen können oder es nicht wollen. Ganze Landstriche in Deutschland vergreisen und werden nach und nach entvölkert.

Selbstverständlich gibt es auch Städte, die heute noch schrumpfen, aber diese werden sich auf einem niedrigeren Einwohnerniveau stabilisieren - zu Lasten allerdings der ländlichen Gemeinden im Umland. Der Trend der 90er Jahre, in denen viele Menschen aus den Städten zurück aufs Land zogen, wurde durch fehlgeleitete städtebauliche Maßnahmen überrollt. Die Städte dehnten ihre Bebauung bis an die Grenze der Möglichkeiten aus und drangen so in die ländlichen Randgebiete und Übergangsgebiete vor. Einige Städte können derzeit nicht weiter Expandieren – alle Flächen vollversiegelt. Eine dramatische Fehlleistung der Politik, welche jetzt die Menschen der Randgebiete zurück in die Städte bringt. Natürlich braucht man sich um ländliche Regionen im Umland der Großstädte keine Sorgen machen – die meisten Städte sind auf diese Zonen als Ausweich- und Ergänzungswohngebiete  angewiesen.  Jedoch nehmen die Bevölkerungsverluste ländlicher Gemeinden deutlich zu, je abgelegener sie von einer Großstadt sind. Dort fehlt es zumeist und zunehmend an Jobs, Infrastruktur und attraktiven Freizeitmöglichkeiten. Deshalb gehen die jungen Menschen. Und die Älteren sterben nach und nach weg. Gelegentlich geäußerte  Sehnsüchte der städtischen Mittelschicht danach, was diese mit Landleben assoziiert: Bodenständigkeit, selbst angebautes Gemüse, dörfliche Gemeinschaft, spielende Kinder im Garten, haben mit dem realen Landleben wenig zu tun. Diese Menschen werden nicht tatsächlich in abgelegene Dörfer ziehen und dort ihren Lebensunterhalt verdienen. Man ist heute realistisch genug, die Zukunft der eigenen Kinder nicht egoistischen Wünschen und Sehnsüchten zu opfern - auch moderne Familienmodelle - wie es die Jungen und Qualifizierten bevorzugen, lassen sich in ländlichen Gemeinden nur schwer leben. Heute sind häufig beide Ehepartner berufstätig. Beide haben in der Regel einen guten Berufsabschluss, arbeiten in der Stadt und brauchen dann auch noch eine Kita oder eine gute Schule für ihr Kind. Hinzu kommt, dass die Menschen insgesamt immer höher gebildet sind, deshalb auch höhere Ansprüche an das kulturelle Leben haben und zunehmend in Singlehaushalten leben. Das ist aber mit einem Häuschen in einem abgelegenen Dorf schwer zu realisieren. Anders ist es natürlich in ländlichen Gebieten, die an die großen Städte angrenzen - die sind gerade für junge Familien hochattraktiv. Hier sind die Mieten nicht dem Trend der Innenstädte unterworfen und gerade für Familien noch bezahlbar.

Jedoch werden die Innenstädte der Boomtowns weitere Verdichtung erfahren müssen. Längst liegen  Planungen vor, welche eine Aufstockung der Innenstadtimmobilien um 2 Geschosse vorsehen und die Rückbauung von Straßen und anderen Verkehrswegen zu Grünflächen. Wir sehen hier Innenstädte ohne Autos und intensive Einbindung der Regionen um die Großstädte in das städtische Konzept. Wir sehen neue Konzepte von Mobilität -  der öffentlichen Nahverkehr der Zukunft als wirkliches Netz - mit Bussen und Bahnen als Grundgerüst und mit günstig zu nutzenden Elektroautos und Elektrofahrrädern, die an den Bahnstationen stehen und die Menschen zu ihren Zielen bringen.

Aufgabe der Politik ist es, dass alle Menschen eines Landes in möglichst hoher Lebensqualität leben können. Deshalb ist es an der Zeit, dass man umdenkt und gerade die Städte finanziell fördert, weil deren Wirtschaft boomt. Derzeit fließen noch immer Unsummen an Fördermittel in ländliche Gebiete, ohne dass sie dort viel ausrichten oder gar den Bevölkerungsrückgang verhindern. Steuergelder dürfen nicht länger aus politischem Kalkül mit der Gießkanne verteilt werden, damit jede Gemeinde noch ein Gewerbegebiet, ein Baugebiet oder einen Spielplatz bekommt, selbst wenn niemand dies nutzt. Das ist reine Verschwendung und wird zu weiteren erheblichen Kosten in der Zukunft führen. Die regionalen Unterschiede, vor allem zwischen Metropolen und Peripherie werden größer und sie werden größer werden müssen. Letztlich ist es zwingend geboten, allein aus finanzpolitischen Gründen,  ganze Landstriche zu entvölkern. Aber wer denkt, dann  bleiben vor allem leere Flächen, Ruinen leerer Dörfer auf denen Mais angebaut wird, um die Energiewende zu schaffen, der verkennt die Lage deutlich. Nur weil die Bevölkerung zurückgeht, entsteht noch nicht sofort Platz für Neues. Es werden sich auch nicht ganze Landstriche  auf einmal gezielt entvölkern lassen, sondern eher werden manche Dörfer verschwinden, während sich einige Klein- und Mittelstädte zumindest vorübergehend stabilisieren können. Doch die Flächen sind versiegelt. Schon jetzt gibt es Gebiete mit leerstehenden Häusern in jedem Dorf. Aber vorerst bleiben die und werden nicht abgerissen. Auch die Industriebrachen, die es gerade im Ruhrgebiet und in Ostdeutschland  in jedem Ort gibt, reißt keiner ab - das ist derzeit noch viel zu teuer. Aber schon bald wird es Aufgabe der Länder und des Bundes sein, die Finanzierung zu übernehmen. Dann könnte man wirklich darüber nachdenken, der Natur Flächen zurückzugeben. Durch die Industrialisierung untergegangene Wälder könnten wieder aufgeforstet werden, viele Flächen könnten wieder landwirtschaftlich genutzt werden oder einfach nur als Flächen für die Naherholung der Städter dienen.

Als einziges Land in Europa hat derzeit Russland einen gesetzlichen Entwurf zur Neuordnung der Städte- und Landschaftsplanung entwickelt, der zukunftsorientiert den Erfordernissen der kommenden Genrationen gerecht werden kann. Dort sind 20 Stadtzentren vorgesehen, in welchen die Wirtschaft und die Bevölkerung konzentriert werden. Rückbau- und Renaturierungspläne sind in dem Vorhaben bisher nicht vorgesehen. Deutschland könnte also, wenn man die politischen Notwendigkeiten aufgreift auch hier zu einem Vorreiter zukunftsorientierter Politik und Gesellschaftsentwicklung werden.

Frá Arnau de Rubens Figueroa

Komtur des Tempels


 - Zwar hat die menschliche Unvernunft nicht zugenommen. Ruinös angestiegen ist jedoch die Zahl der Unvernünftigen -


Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal bearbeitet, zuletzt von »- admin -« (01.01.2013, 16:54)
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