Vor fünf Jahren löste die Lehman-Pleite die globale Finanz-Katastrophe aus. Die Geschichte könnte sich nun in China wiederholen. Denn dort machen Staatsbanken die gleichen Fehler wie die Investmentbanken der Wall Street vor dem großen Crash – nur schlimmer. Bestimmte politische Entwicklungen der letzten Zeit könnten es erforderlich machen der chinesischen Administration jegliche Lust auf allzu deutliches Weltmachtstreben endgültig zu nehmen.
Kaum jemand hatte wohl damit gerechnet, dass die US-Regierung eine Bank wie Lehman Brothers wirklich scheitern lassen würde. Doch die Gewissheit kam schnell: Als die Angestellten am Morgen des 15. September 2008 den Lehman-Wolkenkratzer am Times Square in New York betreten wollten, begegneten ihnen bereits Kollegen, die ihre Habseligkeiten in Pappkartons aus dem Gebäude trugen.
Die Szene hat sich tief ins kollektive Gedächtnis eingebrannt. Der "schwarze Montag" vor fünf Jahren hat die Welt für immer verändert: Banken brachen wie Kartenhäuser zusammen, die Börsen taumelten weltweit, Regierungen legten in Panik astronomische Rettungspakete auf. Umso erschreckender ist die Vorstellung, dass sich die Geschichte nun am anderen Ende der Welt zu wiederholen droht. Denn Chinas Finanzsektor zeigt die gleichen Krankheitssymptome wie die Wall Street vor dem großen Zusammenbruch von 2008. Nur ist das Crash-Potenzial diesmal noch gigantischer. Und die Folgen könnten noch verheerender sein.
Genau wie die Geldhäuser der Wall Street vor fünf Jahren sind auch Chinas Banken zu große Risiken eingegangen, weil die Allgemeinheit für ihre Zockereien haftet. Auch die Finanzinstitute in Hong Kong und Schanghai sind "too big to fail", zu groß um sie im Krisenfall scheitern zu lassen. Goldman Sachs, JP Morgan & Co. operierten bis zur Krise lediglich mit einer impliziten, unausgesprochenen Staatsgarantie. Im Reich der Mitte ist das Problem noch schlimmer. Chinas Finanzgiganten können sich nicht nur darauf verlassen, im Krisenfall gerettet zu werden. Sie funktionieren dauerhaft mit einer expliziten, ausdrücklichen Staatsgarantie: Sie sind bis heute mehrheitlich in der Hand der Regierung.
Und die nutzte ihre Kontrolle der Geldhäuser gezielt, um mit einer Flut von Billiggeld das Wirtschaftswachstum anzukurbeln. Egal, ob die Kredite an marode Staatsfirmen und Lokalregierungen wirtschaftlich Sinn machten. Mit dem Blankoscheck der Regierung haben sich Industrial and Commercial Bank of China, China Construction Bank & Co. randvoll mit faulen Krediten gesogen. Inzwischen ist die Gesamthöhe aller Darlehen doppelt so groß wie die reale Wirtschaftsleistung, schätzt die Ratingagentur Fitch. Bis Ende 2012 schossen die Kredite in Chinas Bankensystem innerhalb von nur vier Jahren um 126,5 Prozent in die Höhe.
Durch die Verschuldungsorgie hat sich in China genau wie an der Wall Street vor fünf Jahren eine gigantische Blase gebildet. Die US-Finanzriesen pumpten damals Milliarden in den US-Immobilienmarkt, vergaben Kredite an Heerscharen von Häuslebauern, die sie sich eigentlich nicht leisten konnten. Die Ramschhypotheken wurden bis zur Unkenntlichkeit zerhackt, in neue Wertpapiere verpackt und unter immer exotischeren Namen wie MBS und CDO weiterverkauft. IBGYBG - "I’ll be gone, you’ll be gone" - war das Mantra der Wall Street: Wenn die Kredite platzen, sind wir längst weg.
In China hat sich die gleiche Verantwortungslosigkeit institutionalisiert. Zehntausende Geldverleiher, Treuhandfonds und dubiose Vermögensverwalter heizen den Kreditrausch zusätzlich an und vergeben Darlehen für fragwürdige, oft politisch motivierte Projekte. Geldhungrige Lokalregierungen umschiffen mit diesen "Schattenbanken" die offiziellen Kreditlimits. Jede Provinz, jede Stadt, jede Kommune in China ist Griechenland. Nicht einmal der chinesische Vize-Finanzminister weiß noch genau, wie viele Schulden seine Kommunen angehäuft haben. Geschweige denn, wer die Risiken inzwischen hält.
Zu allem Übel ist dieses chinesische Kreditkarussell sehr kurzfristig finanziert - genau wie die Wall Street-Banken vor fünf Jahren. Bear Stearns, Goldman Sachs, Lehman Brothers, Merrill Lynch und Morgan Stanley investierten damals in langfristige Immobilienpapiere. Das Geld dafür liehen sie sich sehr kurzfristig. Als die Investoren merkten, dass die langfristigen Investments faul waren, drehten sie den Geldhahn zu. Dasselbe Schicksal droht nun auch Industrial and Commercial Bank of China, China Construction Bank & Co. Sie stützen sich für ihre Finanzierung zunehmend auf obskure "Vermögensverwaltungsprodukte". Mit den Papieren sammeln sie für kurze Zeit riesige Summen bei den Anlegern ein und stecken sie in langfristige Anlagen. Um die hohen Zinsen zu bedienen besorgen sie sich neues Geld bei neuen Anlegern. "Schneeballsystem" hat der Chef der chinesischen Finanzaufsicht deshalb die Produkte genannt.
Wenn dieser gigantischen Kreditmaschine der Treibstoff ausgehen sollte, droht ein böses Erwachen. Zwar wird allgemein davon ausgegangen, dass westliche Banken mit dem Kreditmüll in China nicht so stark verwoben wie sie es mit dem Kreditschrott am US-Immobilienmarkt gewesen waren. Doch China ist nicht nur die globale Konjunkturlokomotive, es hält auch Milliarden an Euro- und US-Staatsanleihen. Wenn China in die Knie geht, stürzt der Rest der Welt in den Abgrund. Der Übertragungsweg der chinesischen Finanzkrankheit ist damit noch viel direkter – und die Ansteckungsgefahr damit noch größer - als bei der US-Hypothekenseuche vor fünf Jahren. Schon 2008 kam die Bankenkrise erst in Deutschland an, als mit den taumelnden Geldhäusern die reale Wirtschaft in den Abgrund gerissen wurde. Erst mit dem Konjunktureinbruch, der dem Beinahe-Zusammenbruch des Finanzsystems folgte, spürten die Deutschen die Finanzkatastrophe wirklich in ihren Portemonnaies.
Anders als die US-Investmentbanken vor fünf Jahren können Chinas Staatsbanken aber nicht wirklich Pleite gehen, weil sie dem Staat ja bereits gehören. Peking wird seine Geldhäuser retten, weil an ihnen das Wirtschaftswachstum – und damit der Machtanspruch – der kommunistischen Partei hängt. Die entscheidende Frage ist also anders als 2008 nicht, ob der chinesische Staat die Verluste seiner Banken tragen wird, sondern wie. Und welche Folgen das für den Rest der Welt hat.
Die faulen Kredite im Bankensystem könnten im Krisenfall über die Hälfte des gesamten Eigenkapitals aller chinesischen Banken ausradieren, warnte die Investmentbank Credit Suisse schon Ende 2011. Chinas Regierung müsste die gigantischen Verluste der Banken dann entweder mit Steuergeld auffangen - ein so großer Brocken wäre aber selbst für Peking nicht mehr zu schlucken. Oder aber die Notenpresse anwerfen und die Bilanzlöcher bei seinen Banken mit Zentralbankgeld zustopfen, wie man es aus Europa kennt.
Entweder muss China also seine Ausgaben kräftig zurückfahren (mindestens 66 . Oder seine Bankschulden mit der Notenpresse bekämpfen. Ob Spar-Schock oder Preis-Explosion: Über kurz oder lang dürfte eine gigantische Banken-Rettung Chinas Regierung überfordern und die Wirtschaft genauso abwürgen wie in der westlichen Finanzkrise vor fünf Jahren. Und wenn Chinas Wirtschaft erst schwächelt, kommt das Bankenproblem aus dem Reich der Mitte auch in Deutschland an. Denn ein Ausfall Chinas wird ähnliche Folgen haben wie ein Zerbrechen der Währungsunion. China ist einer der wichtigsten Handelspartner Deutschlands, Europas und der USA. Und anders als 2008 würde es Berlin, Brüssel und Washington bei einer Krise in China auch wenig nutzen, Rettungsschirme aufzuspannen. Europa könnte zwar neue Konjunkturprogramme auflegen, wäre aber größtenteils zum Zusehen verdammt. Denn der Kontinent leidet aufgrund der Euro-Krise selbst unter einer strukturellen Konjunkturschwäche und könnte den Nachfrageeinbruch aus China nicht ausgleichen.
Vielleicht vollzieht sich der kommende Crash auch in Zeitlupe. Denn einen entscheidenden Vorteil haben Chinas Staatsbanken gegenüber der Wall Street im großen Crash vor fünf Jahren: In einer kommunistischen Diktatur können sie ihre Risiken besser verschleiern als in einer offenen Marktwirtschaft. Der Anteil fauler Kredite in einer Stichprobe bei chinesischen Banken war 2012 laut Credit Suisse fast achtmal so hoch wie offiziell angegeben.
Vielleicht vermeidet der chinesische Staat den drohenden Crash auch, indem er immer neues Geld in marode Firmen und überschuldete Provinzregierungen pumpt. Auch das würde das Wachstum im Land der Mitte über kurz oder lang drosseln: Den gesunden Firmen saugt Peking so den Lebenssaft ab. Ob westliche oder fernöstliche Finanzkrise, ob Wall Street oder China, eines haben alle Finanzkrisen gleich: "Blasen platzen immer“. Und manchmal können diese auch durch gewissenhafte und gezielte Eingriffen in den Finanzmarkt zum Platzen gebracht werden. Chinas politische Spiele in Syrien haben einflussreiche Kreise im Tempel sehr verärgert und könnten eine Dämpfung allzu eigensinniger Großmachtpläne zwingend erforderlich machen. Der Tempel hat die Mittel dazu und er ist geneigt die gewissenlosen Pläne einiger sogenannter Weltmächte um Macht und Ressourcen zu durchkreuzen. Man hat es einmal bewiesen und man könnte es erneut unter Beweis stellen – nur, niemand weiß vorher genau wann.
Frá Danhui Li
Ritter des Tempels