Das endgültige Zusammenbrechen der Sowjetunion brachte vielen Menschen zwar größere Freiheit – die Erde wurde dadurch jedoch keineswegs zu einem friedlicheren Hort. Der Zusammenbruch des realen Sozialismus ging zwar relativ friedlich über die Bühne (70 Jahre Unterdrückung konnten eine gewisse Prägung nicht verleugnen lassen), viele der ehemaligen Satrapenstaaten endeten jedoch in Diktatur, Krieg und ethnischen Säuberungen. Die Welt sah sich schon im Siegestaumel des Friedens und verlor jeglichen Bezug zur Realität. Die westlichen Nationen verloren sich gar im gefährlich utopischen Denken, ohne dies jemals wirklich zu begreifen und ließen sich zu Vorgehensweisen verleiten, welche niemals eine Aussicht auf Erfolg hatten. Wer glaubte demokratische Strukturen lassen sich aus dem Hut zaubern und nationalistische Bindungen einfach vergessen, sah sich genauso im Irrtum, wie jener der glaubte Diktaturen gehörten der Geschichte an. Und trotz des eigenen Scheiterns und Versagens versucht die westliche Welt dem erstarkenden Funken des arabischen Frühlings zu einer Flamme der Hoffnung auf Besserung und Schaffung einer Grundlage für eine positive Entwicklung jegliche Entwicklungsmöglichkeit zu entziehen. Die westlichen Regierungen sind zu naiv und zu verblendet, ihre utopistische Brille abzulegen und die reale Welt zu erkennen und zu begreifen.
Ägypten geht auf dem Weg des Frühlings der Freiheit in die dritte Phase. Die vorschnelle und durchaus verständliche Entscheidung für eine reformierte religiöse Ausrichtung zeigt hier wie erwartet die Unfähigkeit solcher Kräfte eine zukunftsorientierte Entwicklung zu bewerkstelligen und staattragende Einflussnahme zu realisieren. Das Ergebnis war absehbar und der Unwillen der Bevölkerung zu neuer Bevormundung lässt sich nicht länger unterdrücken. Millionen Ägypter fordern, dass Mursi sein Amt aufgibt. Als er 2012 nach der autokratischen Herrschaft von Mubarak gewählt wurde, war die Hoffnung des Volkes auf wirtschaftlichen Aufschwung, Pressefreiheit und Rechtsstaatlichkeit groß. Mursis Bilanz aber ist mehr als nur enttäuschend. Die Opposition zeigt sich zunehmend stärker und selbst überzeugte ehemalige Anhänger wenden sich dieser Tage zu Tausenden vom Präsidenten ab.
Wieder einmal liegt alle Hoffnung auf dem Militär – den westlichen, ideologisch verirrten Kräften ist dies natürlich ein Aufleben alter Strukturen – den informierten und sachkundigen Kreisen zeigt sich hier jedoch eine Möglichkeit Tatsachen auf den Weg zu bringen welche von historische Bedeutung für das ägyptische Volk werden könnten.
Ägyptens erster frei gewählter islamistischer Präsident gerät immer mehr in die Isolation. Während ihm etliche Minister die Gefolgschaft aufkündigen und die Opposition zu weiteren Massenprotesten aufrief, läuft die vom Militär gesetzte Frist für eine Einigung ab. Mohammed Mursi sollte endlich eine weitsichtige Entscheidung im Sinne des Volkes treffen.
Frá Pierre Marie de Montgazon
Komtur des Tempels
- Zwar hat die menschliche Unvernunft nicht zugenommen. Ruinös angestiegen ist jedoch die Zahl der Unvernünftigen -