Ganz Bewusst haben wir uns hier zunächst zurückgehalten. Eigentlich sollten die ersten Beiträge dieses Threads Aufschluss genug geben, darüber was der Gral ist. Wer hier seine ganz persönliche Meinung vertritt und dieses anders sieht, der sollte dies auch durch Fakten unterlegen. Wer aber mit der Behauptung auftritt, er habe diesen Gral gefunden, der hat schon einmal ein grundsätzliches Problem damit überhaupt glaubwürdig zu sein. Irgendwelche zusammengelesene und aus dem Zusammenhang gerissene Satz- und Inhaltsfragmente sind nicht geeignet Glaubwürdigkeit vorzutäuschen. Wer offensichtlich erkennt, dass sein Auftritt nicht gerade so aufgenommen wird, wie er es sich gern erträumt hätte und sich dann in Diffamierungen und Beleidigen ergeht, der zeigt seine geistige Unreife und sein menschliches Versagen. Hier ist dieses Versagen nicht nur anthropozentrische Überhebung, sondern gleichzeitig anthropozentrische Anmaßung, welche ein massives Verfallen sein in christlichem Fanatismus erkennen lässt.
Die Erzählungen über den Gral haben ihren Ursprung in keltischen Erzählungen der Bretagne, welche später nach England Übergang fanden und neu definiert wurden. Die Herkunft des Wortes „Gral“ ist umstritten. Möglicherweise stammt es vom altfranzösischen „graal“ (Gefäss). Spätere Fassungen des Mythos wurden mit zusätzlichen Mischungen aus keltischen, christlichen und orientalischen Sagen verbunden. Der sagenhafte Kelch kam angeblich zuerst beim letzten Abendmahl zum Einsatz und danach bei der Kreuzigung Jesu. Uneinigkeit gibt es schon bei den Überlieferungen zur Person, die das Blut Christi aufgefangen haben soll. Am häufigsten ist die Rede von Joseph von Arimathäa, der das Gefäß später nach Glastonbury in Südengland gebracht haben soll. Auch Maria Magdalena oder Nikodemus werden gelegentlich genannt.
Die ersten Gralsdichtungen wurden im 12. und 13. Jahrhundert verfasst, doch basieren sie auf älteren mündlichen Traditionen. Die früheste literarische Fassung stammt von Chrétien de Troyes, einem Kleriker aus dem Hause der Grafen de Champagne und Cousin der Grafen Beaujeu, aus dem Jahr 1190 und trägt den Titel „Le Conte du Graal“, in dem erstmals der archetypische „Narr“ der Gralsgeschichten vorkommt, Perceval (Parsifal). Dieser sieht den vermeintlichen Gral in Form einer Goldschale im Schloss des Fischerkönigs samt einer zerbrochenen Lanze. Die weiteren Autoren der Dichtungen waren häufig Zisterzienser- und Benediktinermönche, und viele der Erzählungen haben einen deutlichen Bezug zu den legendären Tempelrittern, die damals ihren Aufstieg erlebten.
Die Dichtung Chrétiens ist unvollendet geblieben. Um 1200 entstand Robert de Borons „Roman de l’estoire dou Graal“. Hierbei wandelt sich der Gral zum Kelch des letzten Abendmahls. Wolfram von Eschenbach bearbeitete das Werk von Chrétien und schrieb um 1205 quasi den „Klassiker“, das deutsche Versepos „Parzifal“. Bei ihm wird der Gral zu einem Gesundheit und ewige Jugend verleihenden Stein oder steinernen Gefäss namens „lapis exillis“, das von Gralsrittern bewacht wird, die Eschenbach als „Templeisen“ benennt, eine christliche und höfische, der Erzählung nach dem Templerorden ähnliche Ritterschaft. Der Gral wird zum Teil auch als eine verschollene Blut-Reliquie begriffen, die heutzutage in ihrer Umstrittenheit mit dem Turiner Grabtuch, dem Eucharistie-Wunder von Lanciano oder dem Blutwunder von San Gennaro in Neapel vergleichbar ist. Auch nach Österreich führt eine Spur: jene Achatschale, die zum Hausschatz der Habsburger gehörte und jetzt in der Schatzkammer des Kunsthistorischen Museums in Wien steht, wurde lange für den Heiligen Gral gehalten.
Die mythische Gralsvorstellung des Mittelalters setzte sich mehr oder weniger ungebrochen bis in die Moderne fort, und seit einigen Jahrzehnten boomen Gralsgeschichten wieder genauso wie Sachbücher mit unterschiedlichen Interpretationen des Grals. Das Verständnis des Grals als Metapher für die Abstammungslinie Christi ist ein relativ modernes, auch wenn es häufig als „altes Wissen“ verkauft wird. Diese Theorie ist verflochten mit der Idee einer angeblichen Heirat von Jesus mit Maria Magdalena und deren angeblichem gemeinsamen Kindern, die zuerst im Thomasevangelium Erwähnung fanden. Im Zuge des Esoterikbooms der vergangenen zwanzig Jahre spielte der Gral auch in Hollywood häufig eine Hauptrolle als Supercup.
Quintessenz: Eine aus einem der maßgeblichen Templerhäuser hervorgegangene Unterhaltungsliteratur hat in etwa so viel Anspruch auf wahren und übertragbar „religiösen“ Inhalt wie ein heutiges Manga-Heft aus Japan.