Die Hölle – aus bibelhistorisch-theologischer Sicht:
Zunächst einmal wollen wir uns ein besseres Bild davon machen, was die Bibel überhaupt als "Hölle" bezeichnet. Die Beschäftigung mit dem Wort "Hölle" allein, vermittelt uns bereits einige ganz wichtige und interessante Informationen.
In der Lutherbibel (1984) kommt der Begriff "Hölle" im Alten Testament nur einmal in Hiob 11 (verfasst im 2. Jh. B.C.) vor, allerdings nicht im heute gängigen Sinne eines "Ortes eines ewig brennenden Feuers". Auch findet sich im hebräischen Text eigentlich kein Begriff für das gängige Bild der "Hölle" als eines Ortes ewig andauernder Verdammnis.
Im Neuen Testament gibt es mehrere Stellen, an denen das Wort "Hölle" als Übersetzung von zwei griechischen Wörtern benutzt wird. Eines dieser griechischen Wörter ist das Wort hades, es bezeichnet eigentlich den Bereich des Todes, das Totenreich; der "Ort" oder besser Zustand, in welchem die Toten sind. Das entsprechende hebräische Wort im Alten Testament ist sheol, es bezeichnet ebenfalls den Zustand oder Ort der Toten, das Totenreich, in welchem alle Verstorbenen sind. Es ist ein Ort, an dem es kein Bewusstsein, keine Erinnerung, kein Leben als solches gibt. Das "Grab" bezeichnet den physischen Ort, wo man den Leichnam eines Menschen begrub, sheol bzw. hades bezeichnen nicht unbedingt den realen Ort der Grabesruhe, sondern den "Bereich", den "Zustand", das "Reich", in welchem die Toten weilen bis zum Zeitpunkt ihrer Auferweckung zum Leben oder zum Gericht (wobei man beachten sollte, dass hades im Neuen Testament nicht die ansonsten aus griechischer Mythologie und Sagenwelt bekannte Bedeutung hat, wo Tote in irgendeiner Form am Leben sind, sondern tatsächlich einfach den Bereich des Todes umschreibt). Diese Wörter haben absolut nichts mit einem ewigen Feuer zu tun. Was also mit diesen Worten bzgl. des Zustands der Toten ausgesagt wird, lässt in keiner Weise auf eine ewige Feuerqual oder ein von Gott als Strafe angesetztes Höllenfeuer nach dem Tode schließen.
Das zweite griechische Wort, welches im Neuen Testament mit "Hölle" übersetzt wurde, ist das Wort gehenna. Dieses Wort ist eigentlich die griechische Bezeichnung für das nahe bei Jerusalem liegende Ben Hinnom Tal, das den Juden seit langem als Müllhalde diente und wo sie ihren Müll und ihren Unrat hinbrachten und verbrannten. Dieser Ort war in der Tat als ein "Ort ewigen Feuers" bekannt, weil der Müll nämlich ständig brannte und das Feuer dort nicht erlosch. Die Gehenna war daher ein Ort von Feuer, Unrat, Gestank usw und es war der Inbegriff des abscheulichen schlechthin. Gehenna ist also biblisch zunächst die Bezeichnung für einen buchstäblich existierenden Ort nahe bei Jerusalem. Auf dieses Tal und den forwährend brennenden Müllhaufen dort nahm u.a. auch der Prophet Jesaja Bezug, als er in sehr drastischer Weise das Gericht Gottes über Juda und Jerusalem beschrieb (vgl. Jesaja 66,24). Auch in der Jesus zugeschriebenen Bergpredigt, spricht dieser von Gehenna und nutzte dieses Bild abscheulichen Unrats und der ewigen Müllverbrennung, als er zur Umkehr aufrief und das Ende jeglichen Verharrens in der Sünde mit dem "auf die Müllhalde Jerusalems geworfen werden" verglich. Jesus Zuhörern war dieses Bild natürlich gegenwärtig und sie verstanden sicherlich genau, was er mittels dieses Vergleichs und dem Hinweis auf die Gehenna ihnen ganz betont vorhielt. Jesus redete gar nicht von einem zukünftigen buchstäblichen Ort "ewigen Feuers", von "einer Hölle" in dem uns aus (eigentlich falscher) religiöser Unterweisung bekannten Sinne. Die Übersetzung "Hölle" ist an sich bereits missverständlich, man sollte vielmehr das Wort Gehenna bzw. Ben Hinnom beibehalten, wodurch klar wäre, dass wir es zunächst mit dem Eigennamen eines Ortes in der Nähe von Jerusalem zu tun haben.
Außer diesen beiden Wörtern bzw. ihrer Übersetzung ins Deutsche als "Hölle" hat noch ein weiterer Begriff aus der Offenbarung des Johannes die Vorstellung einer "Hölle" geprägt, nämlich der Begriff des "Pfuhls aus Feuer und Schwefel" oder "feurigen Pfuhls" (vgl. Offenbarung 20,10.14). Allerdings sollte man beachten, dass vielfach in der Offenbarung Umschreibungen und Bilder aus dem hebräischen Sprachraum benutzt werden, um bestimmte Zustände zu beschreiben und zu verdeutlichen. Wenn wir uns an die Gehenna erinnern und wie sie als Bild für Gottes Gericht verwendet wurde, so wird deutlich, dass das Bild des "feurigen Pfuhls" eigentlich das gleiche umschreibt. Es handelt sich bei dem feurigen Pfuhl kaum um einen buchstäblichen "Pfuhl" oder "See" gefüllt mit "Feuer" statt "Wasser" … eine solche Vorstellung begegnet uns zwar immer wieder auf Gemälden apokalyptischer Szenen, aber eine nüchterne Betrachtung des biblischen Textes belehrt uns eines Besseren. Schon die Feststellung, dass auch "der Tod und sein Reich" in diesen feurigen Pfuhl geworfen werden, zeigt auf, dass es sich nicht um einen wörtlich zu verstehenden Ausdruck handeln kann.
Ein wichtiger Punkt in der Christenlehre, den man ebenfalls beachten muss, ist der, dass das Gericht Gottes erst noch stattfinden wird, und zwar am Ende der Zeit (Ende der Welt). Bis dahin, so ergibt sich aus einigen Schriftstellen, ist und leidet niemand in "der Hölle".
2. Petrus 2,9 berichtet: "Der Herr weiß die Frommen aus der Versuchung zu erretten, die Ungerechten aber festzuhalten für den Tag des Gerichts, um sie zu strafen". Erst am Tag des Gerichts können die Ungerechten eine Strafe erhalten, aber nicht davor. Würden sie bereits vor dem Gericht ihre Strafe haben, dann wäre Gott nicht mehr ein gerechter Richter. Auch aus den Jesus zugeschriebenen Worten in dem Gleichnis vom Unkraut (vgl. Matthäus 13,40-42) wird deutlich, dass erst am Ende der Welt, und nicht davor, Gottes Gericht über die Gottlosen ergehen wird. Bis zu jenem Zeitpunkt verharren die Verstorbenen im Grab, nicht in der Hölle (vgl. Johannes 5,22ff), und aus dem Grab werden sie auferstehen zum Gericht, wobei die Gerechten eine Auferstehung zum Leben, die anderen aber eine Auferstehung zum Gericht (zur Verdammnis) erfahren werden. Für die Gläubigen, die Gerechten, wird dieser Zeitraum und Zustand im Grab als "Schlaf" bezeichnet, da ihm eine Auferweckung zum Leben folgen wird und er nur vorläufig ist.
Was auch immer buchstäblich geschehen wird, wenn das Böse, Satan und seine Mächte, alle Gottlosen, oder "das Tier" und der "falsche Prophet" und schließlich dann auch der Tod und sein Reich in diesen feurigen Pfuhl geworfen werden, wird in der Lehre nicht unbedingt im einzelnen gesagt, aber es wird deutlich aus dem Bild der Gehenna, des Ben Hinnom Tals bei Jerusalem, dass all das "wie der Müll und Unrat verbrannt" bzw. vernichtet werden wird (vgl. Mat 13,40.42). Dies wird dann auch als "der zweite Tod" bezeichnet (Off 20,14). Es bleibt schlicht und einfach nichts mehr von all dem Bösen und den Gottlosen.1
Bzgl. des feurigen Pfuhls muss jedoch noch ein scheinbarer Widerspruch ausgeräumt werden, der aufgrund der allgemein verwendeten Übersetzung von Offenbarung 20,10 bzw. des daraus resultierenden Missverständnisses entsteht. In der Lutherbibel 1984 heißt es dort: "Und der Teufel, der sie verführte, wurde geworfen in den Pfuhl von Feuer und Schwefel, wo auch das Tier und der falsche Prophet waren; und sie werden gequält werden Tag und Nacht, von Ewigkeit zu Ewigkeit." So, wie der Vers hier übersetzt ist, scheint es sich bei dem feurigen Pfuhl tatsächlich um einen Ort zu handeln, wo jemand fortwährend und für ewige Zeiten gequält wird. Das scheint aber nicht recht vereinbar mit dem, was sich aus den anderen Stellen ergibt. Wo liegt nun die Schwierigkeit bei dieser Stelle?
Das Wort für "Ewigkeit" ist im griechischen Text das Wort aion, das in der Lutherbibel auch mit "Welt" (vgl. 2. Korinther 4,4; Galater 1,4) übersetzt wurde und für sich auch "Zeitalter" bedeuten kann. Von "Zeitalter zu Zeitalter" (Ewigkeit zu Ewigkeit) kann auch als Redefigur einen unbestimmten, aber nicht unbedingt "endlosen" Zeitraum anzeigen, oder im übertragenen Sinne doch einschließen, dass etwas "endgültig" ist. Genau das ist wohl, was hier in Offenbarung 20,10 eigentlich der Fall ist, denn das erwähnte Gericht über den Teufel usw. ist ja endgültig. Es wird auch die Theorie vertreten, dass dieser feurige Pfuhl eventuell sozusagen "zwischen den Welten [nach Auslegung, dem jetzigen bösen Zeitalter und dem noch zukünftigen neuen Zeitalter]" brennt und existiert, danach aber dann nicht mehr.
Bzgl. der neuen Welt, eines neuen Himmels und einer neuen Erde, berichtet uns die Schrift in Offenbarung 21, dass dort kein Leid mehr sein wird, nichts Böses mehr, usw. Auch daraus wird deutlich, dass das Böse, der Teufel und die Gottlosen eben nicht mehr weiter und in alle Ewigkeit hinein existieren und fortwährend gequält werden, sondern dass sie wahrhaftig ein Ende finden werden … nicht mehr sein werden. Die Offenbarung berichtet uns von diesem Ende als "dem zweiten Tod" und nicht etwa von einem ewigen Leben in Qual oder Pein. Die Folge der Sünde oder Strafe für die Sünde ist der Tod, nicht ein ewiges Leben voller Pein und Qual und Schmerzen. Der "zweite Tod" soll dann die endgültige Besiegelung der Abwesenheit von Gott darstellen. Zumindest hier erscheint eine gewisse Annäherung an die Lehren des Djehuti noch durchzuscheinen: Die Gottlosen, existieren eben nicht mehr in die Ewigkeit hinein, sie finden ihr Ende, indem sie nicht mehr sein werden. Die Lehre vom Totenreich und Totengericht versucht genau dies zu vermitteln und die Totenbücher versuchten diese Lehre in die Ewigkeit zu retten.
Die Vergangenheit ist nicht tot. Sie ist noch nicht einmal vorbei (Ramses II.).