#1
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Unbekannt

Gelöscht

Auf der Seite der Tempelherren steht ein Zitat von Nietzsche. Das überraschte mich, mir wurde einmal vom Tempel gesagt, dieser Philosoph stünde ihnen näher als ich mir vorstellen könnte.
Heute erinnerte ich mich wieder an dieses kurze Gespräch. Aber Nietzsche glaubte doch nicht an Gott? Und das bekannte Zitat "Religion ist Opium fürs Volk" enstammt auch aus seiner Feder.
Hatte er am Ende doch einen Glauben an Gott?
#2

Frá David

Tel Aviv,Israel

Die Zeit der Aufklärung hat den Menschen unter anderem den Glauben eingepflanzt, jeder einzelne könnte ein guter Mensch sein. Aber schon die Werke eines der größten Aufklärer scheinen dies zu widerlegen, den Freud stellte fest, dass die Fähigkeit ein guter Mensch sein zu können tatsächlich mit biographischen Zufällen zu tun hat. Es ist die Art der Welpenaufzucht und Bildung, die genetisch festgelegte Voraussetzungen fördert oder unterdrückt und so einen Menschen kreiert, der sanft oder grausam ist oder ein Gerechtigkeitsempfinden entwickelt. Das widerspricht natürlich dem, was Humanisten und Christen gern als Überzeugung ausgeben. Aber gerade hier hätten doch alle der Tatsache ins Auge zu blicken, dass Willensfreiheit in den Bereichen des menschlichen Lebens eine Illusion ist, in denen sie ihnen am meisten am Herzen liegt. Sie müssen sich dem stellen, was alle nicht wahrhaben wollen: es ist Glücksache, ob man ein guter Mensch zu sein vermag. Mit dieser Feststellung erschütterte Freud die Vorstellungen von Moral deutlich nachhaltiger als zuvor Nietzsche. Schopenhauer erklärte die gesamte Geschichte zu einem langen, schweren aber sehr verworrenen Traum der Menschheit. Nietzsche war dieses Geschichtsbild zu pessimistisch, denn er verkannte zunächst, dass Schopenhauer, indem er der Geschichte jeden Sinn absprach, in aller Konsequenz zu Ende dachte, was Nietzsche als den Tod Gottes bezeichnete. Nietzsche wurde und wird in vielem verkannt und völlig zu Unrecht als „brillanter Atheist“ hingestellt, der unermüdlich gegen christliche Wertevorstellungen anrannte. Das vermag man leicht an seiner Auffassung vom Mitgefühl zu erkennen. Schreibt er zum einen in seinem Frühwerk Die Geburt der Tragödie, man dürfe nicht zulassen, dass das Mitgefühl – in dem z.B. Schopenhauer die höchste Tugend sah – die Lebensfreude zerstöre, und bezeichnete sie als einen Mangel an Lebenskraft. Damit lag er gar nicht weit neben der Wahrheit. Wer Mitgefühl in den Mittelpunkt der Ethik stellt, erzeugt damit noch mehr Leid, weil das Mitgefühl vermag ansteckend zu wirken wie eine Krankheit und das Glück anderer wird damit zunehmend zu einem Anlass des Argwohns und des Neides. Aber im Bezug auf Nietzsche ist festzustellen, dass ihn selbst das Mitgefühl völlig aus der Bahn warf. Seine große Empfindsamkeit für das Leid dieser Welt, welches ihn zeit seines Lebens peinigte, wurde ihm zur Schwäche, die seinen völligen Zusammenbruch in dem Moment auslöste, als er erkannte, dass der Bruch der Aufklärung mit Gott und die auf diesen begründete Moral auch einen Bruch der Menschheit mit der Natur insgesamt bedeutete. Die Aufhebung der alten freiheitsbeschränkenden Schranken der Moral und Ethik, welche durch die Überhebung der Menschheit im Humanismus und dem damit aufkommenden Fortschritts- und Unfehlbarkeitsglauben entstanden war, brachte nicht wirklich die ersehnte Freiheit für „die Menschen“, sondern öffnete das Tor zur Sklaverei des Menschen. Schopenhauers Traum musste Nietzsche zum Alptraum werden und ihm verinnerlichen, dass das Leben eines Menschen nicht mehr an Bedeutung hat als das Leben aller anderen Tiere. Es war das Zusammentreffen mit den Herren der Ewigkeit, welche ihm die Erkenntnis zu schaffen vermochten, dass es, gerade weil Menschen Tiere sind,  eine Geschichte der Menschheit nicht wirklich gibt, sondern nur das Leben einzelner Menschen. Ebenso wie bei Tieren gilt, dass manche ein glückliches und andere ein elendes Leben haben. Kein Leben hat eine Bedeutung, die über es selbst hinausweist. Nietzsche wollte dieses Wissen nicht wahrhaben und konnte sich nicht damit abfinden. Er war zeit seines Lebens in christlichen Hoffnungen gefangen und klammerte sich an der Überzeugung fest, dass aus dem Tier Mensch etwas anderes hervorgehen kann. Aus dem Bild der Herren der Ewigkeit entwarf er seinen Übermenschen. Seine Hoffnung war, dass die Menschheit sich auf diese Weise aus ihrem lethargischen Schlaf in der Zwangsabhängigkeit der Evolution wecken lasse. Aber wie nicht anders zu erwarten gelang es ihm lediglich dem verworrenen Traum der Menschheit weitere Alpträume hineinzutragen. Für Nietzsche selbst führte die Erkenntnis der Wahrheit in dem Moment, als er der groben Misshandlung eines Pferdes Zeuge werden musste, zum Versinken in geistiger Umnachtung. Sein selbst erkannter Gott war wirklich Tod, er wurde von den Menschen ermordet und damit frei jeglicher Verantwortung für menschliches Handeln. Nur der Mensch selbst war unfähig die Tiefe der Bedeutung dieser Aussagen zu erkennen.

Das Zitat "Religion ist Opium fürs Volk" entstammt nicht der Feder Nietzsches. Es wurde von Marx geprägt und von Lenin gern missbraucht. Aber das ist auch nur ein Fehler einer Andichtung, welche Nietzsche gern nahegebracht wird. Dem Antichrist musste doch einfach ein Mangel anzuhängen sein und sei es auch nur die Syphilis als Ursache seiner den westlichen Menschen so fremden und erschreckenden Philosophie.


 - Wenn du ein Problem erkannt hast und nichts zur Lösung des Problems beiträgs wirst du selbst zum Problem -


Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal bearbeitet, zuletzt von »- admin -« (08.03.2011, 11:43)
#3
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Unbekannt

Gelöscht

Die Erklärung geht weit über das hinaus, was ich mir erhoffte Frá David . Wirklich tiefe Einblicke welche noch genauer von mir studiert werden müssen. Komplexe Zusammenhänge aus denen intimes aus Nietzsche leben offenbar wird. Bisher war mir wenig über diesen wichtigen Mann bekannt und es stellt sich heraus-das was mir u.a. bekannt war ist nun falsch.
Tatsächlich schenkte ich den aussagen glauben er wäre Atheist und die Erklärung zur vermeintlichen genetischen humanität des Menschen wäre ein neuer Tread wert. Ich muss diesen wichtigen und interessanten Beitrag unbedingt meinen Notizen hinzufügen. Wahrscheinlich ist die Frage nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, aber wie kam Nietzsche in Kontakt mit den Herren der Ewigkeit? Fanden sie zu ihm oder er zu ihnen? Und wenn ja, durch welchen Anlass?
Keineswegs müsst ihr die Frage beantworten wenn sie zu indiskret ist, dafür hätte ich Verständnis.
#4

- admin -

Sydney,Australien

Nietzsche war ein Genie und seiner Zeit durch sein überlegens Denkvermögen voraus. Bedauerlicherweise erkrankte er früh an einem Gehirntumor, welcher ihm zunehmend zu schaffen machte und seinen frühen Tod verursachte. Er traf erst auf Herren der Ewigkeit im deutsch-französischen Krieg (1870), während seines freiwilligen Lazarettaufenthaltes. Seine Gesundheit war schon schwer angeschlagen. Er hatte diese Form des Karzinoms zweifelsfrei ererbt - auch sein Vater war dem erlegen. Behandlung ist aussichtlos und führt selbst heute bei frühzeitger Erkennung zu schweren Spätfolgen.

Frá Stephan v. Reth

Ritter des Tempels


 - Zwar hat die menschliche Unvernunft nicht zugenommen. Ruinös angestiegen ist jedoch die Zahl der Unvernünftigen -


Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal bearbeitet, zuletzt von »- admin -« (08.03.2011, 12:04)
#5
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Unbekannt

Gelöscht

Danke für die Ergänzung, Frá Stephan. Es ist faszinierend sich das Treffen der Tempelherren und Nietzsche vorzustellen. Auch wenn der Anlass/die Umgebung dafür eher betrüblich stimmt.
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