PCMTH © Ursula Homann
Brunos Spuren sind im Atomismus des Wittenberger Arztes Daniel Sennert ebenso nachzuweisen wie im Naturverständnis von Spinoza oder im Monadenbegriff von Leibniz. Immerhin hat Bruno als erster in der modernen Philosophie das Wort Monade gebraucht als unteilbare Einheit, als das konstituierende Element aller Dinge. Die einen halten ihn für einen Magier, andere für einen Kosmologen, Schriftsteller, Utopisten oder genialen Theoretiker. Von manchen Autoren, vor allem von jenen, die der Esoterik und der New-Age-Bewegung nahestehen, wird Bruno gerade wegen seiner Nähe zu östlichen Weisheiten und Seelenwanderungslehren sehr geschätzt. Um so dringlicher ist die unvoreingenommene und systematische Erschließung seiner Schriften. Aber es ist schwierig, Brunos Wirkung präzise zu erfassen. Daher hat es wohl auch nie Brunianer gegeben wie es etwa Galileianer, Cartesianer oder Leibnizianer gegeben hat.
Bruno hat in der Tat vieles vorweggenommen, auch auf dem Feld der Wissenschaft, daher verstanden ihn seine Zeitgenossen nicht. Galilei übernahm viele Ideen von Bruno, ohne ihn zu nennen, vielleicht aus Vorsicht, denn es wäre nicht klug gewesen, erwähnte er den Namen des Philosophen nicht, der von der Inquisition zum Scheiterhaufen verurteilt worden war.
Über Wirkung und Rezeption der Werke Brunos vom 16. bis zum beginnenden 19.Jahrhundert gibt es wenig zuverlässige Zeugnisse, kaum explizite Bezugnahmen, eine offene Auseinandersetzung mit seinen Schriften und eine Berufung auf den Nolaner war mit dem Risiko verbunden, als Sympathisant eines Irrlehrers in Verruf zu geraten. Brunos Einflüsse liegen wohl eher im Verborgenen, etwa bei Spinoza oder Leibniz. Anstoß für ein neuerliches Interesse an der Philosophie Brunos war eine Schrift F.H.Jacobis, in der Brunos Philosophie als pantheistische Lehre und Grundlage der Schriften Spinozas betrachtet wird. Hegel sah in Brunos Einheitsbewusstsein etwas Bacchantisches, das dann aber, unfähig zum systematischen Gebären, in mystische Schwärmerei umgeschlagen sei.
Auch Schelling und Goethe haben sich mit Brunos Werk beschäftigt. Beide faszinierte besonders der Gedanke der Weltseele, das Hervorgehen des Vielen aus dem Einen, die Verschränkung innerer und äußerer Ursachen, das Prinzip der coincidentia oppositorum, die Doppelbewegung von entwickelndem Herniedersteigen und erkennendem Aufsteigen, kurzum das Themenfeld des Neuplatonismus, das die Goethezeit mitbestimmt hat.
Man hat ihm viele Attribute verliehen: Zunächst sah man in ihm den Vertreter eines neuen Eklektizismus und Gegner des Christentums, dann verschiebt sich sein Bild vom Häretiker, Lullisten, Dissidenten und Pantheisten zum Dialektiker des "Ineinfalls" der Gegensätze. Zumeist fristete der Denker sein Dasein zwischen diffusem Okkultismus und Antiklerikalismus, als Geheimtipp unter den Kennern, als Märtyrer der Geistesfreiheit und Opfer der Intoleranz, als fahrenden Ritter der Gedankenfreiheit. Cassirer sah in ihm den Zeugen eines neuen Weltgefühls, Blumenberg interpretierte seine Philosophie als Beginn der Neuzeit. Eine entscheidende Wende bescherte, laut Blum, die englische Privatgelehrte Frances A.Yates der Bruno-Forschung. Sie kam nämlich zu dem Schluss, dass Hermetismus und Magie die wesentlichsten Elemente des Brunoschen Denkens gewesen seien. Durch ihren Theoriensynkretismus habe Yates, meint Blum, alle Spielarten von Renaissance-Okkultismus hoffähig gemacht und jene philosophischen Probleme wieder entdeckt, auf die Philosophen wie Bruno zu antworten versuchten.
© Onlineveröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Rechteinhaberin Frau Ursula Homann ursula@UrsulaHomann.de
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