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Frá Konstantin

London,Großbritannien

Die Wissenschaft muss auch diesen Mythos als entkräftet betrachten

 Hundehalter hatten nie daran gezweifelt: Immer schon hielten sie ihr Tier für einzigartig: für besonders schlau, für besonders kühn oder für besonders gefügig. Forscher belächelten solche Beobachtungen lange, weil sie darin nicht mehr als den vermenschlichenden und verklärten Blick des Tierliebhabers sahen. Doch die Gelehrten müssen sich wieder einmal vom Volk belehren lassen: "Wir hatten einfach Angst, Tiere zu sehr zu vermenschlichen. Deshalb hat man das Thema ein bisschen weggedrückt", sagt Fritz Trillmich, Verhaltensforscher an der Universität Bielefeld. Mäuse, Meerschweinchen, Schimpansen, Tüpfelhyänen, Braunbären, Schweine, Goldfische, aber auch Grillen, Echsen und Spinnen haben Persönlichkeit, das belegen immer mehr Studien. Die Erforschung des tierischen Charakters ist ein weltweit angesagtes Forschungsgebiet der Verhaltensbiologie.

Ursprünglich gestanden Philosophen, Theologen und auch Naturwissenschaftler nur dem Menschen Persönlichkeit zu. "Der Mensch ist auch in dieser Hinsicht nicht wirklich außergewöhnlich", räumt Trillmich mit der überholten Vorstellung auf. Wenn Verhaltensforscher einer Spinne Persönlichkeit attestieren, beschränkt sich das allerdings auf sehr überschaubare Verhaltensweisen in Standardtests. Beispielsweise ihrem Auftreten gegenüber neuen Gegenständen: Erkundet der Achtbeiner diese ausgiebig oder schreckt er davor zurück? Aus solchen Beobachtungen entsteht ein Bild vom Wesen des Tieres. "Es muss durchgängig Verhaltensmerkmale zeigen, die unabhängig von der Umgebung in einer ähnlichen Situation immer wieder auftreten", nennt Verhaltensbiologe Heiko Gödel von der Universität Bayreuth das Schlüsselkriterium für ein Persönlichkeitsmerkmal. So fand man mutige und vorsichtige, ängstliche und draufgängerische, neugierige und scheue Insekten, Vögel, Amphibien und Säugetiere.

Mehr noch als die bloße Beobachtung der individuellen Unterscheide treibt die Forscher die Frage um, wie diese entstehen. "Ein Teil davon ist sicher genetisch bestimmt", sagt Trillmich und verweist auf ein berühmtes Experiment des Niederländers Jaap Koolhaas von der Universität Groningen: Er konnte als einer der ersten Forscher zeigen, dass Unerschrockenheit bei Kohlmeisen auch vererbt wird. In dem er mit Verhaltenstests die mutigen Vögel von den schüchternen trennte und diese separat vermehrte, konnte er eine vorsichtige und eine kühne Meisenlinie züchten.

"Es gibt einige wenige Gene, die starke Effekte auf die Persönlichkeit haben", sagt Trillmich. "Aber derzeit gehen wir davon aus, dass die Genetik  unmöglich all die Verbindungen im Gehirn allein regeln kann, welche Persönlichkeit ausmachen. Das Gehirn ist schließlich ein selbstorganisierendes System, das auf die Umwelt reagiert. Dieser Einfluss darf hier nicht ausser Acht gelassen werden. Aber zweifelsfrei ist auch das Agieren mit der Umwelt auf genetische Vorgaben begrenzt"

Einen dieser Einflüsse aus der Umwelt kennen die Forscher schon: Die Gestalt des Tieres spielt eine entscheidende Rolle, entdeckte Heiko Gödel jüngst sowohl bei Kaninchen als auch bei Ratten. Tiere, die schon bei Geburt schwerer waren, verhielten sich zeitlebens aggressiver und forscher. "Wir vermuten eine Art positive Rückkopplung: Wer schwer geboren wird, wächst besser und kannst seine schmächtigeren Artgenossen leichter beiseite drängeln. Er hat Erfolg. Auf diese Weise wird der Charakterzug noch verstärkt", erläutert Gödel.

Einen starken Einfluss haben auch Geschlechts- und Stresshormone, denen die Tiere im Mutterleib ausgesetzt sind. Jaap Koolhaas entdeckte in der Gruppe der mutigen Meisen wesentlich mehr männliche Geschlechtshormone, sogenannte Androgene, im Eidotter. Dies begünstigt ein männlicheres Verhalten der Brut. Die Jungvögel kennen keine Scheu.

Außerdem - und das überrascht - legten die waghalsigen Vögel durchweg früher ihre Eier, tendenziell in der ersten Jahreshälfte, so dass die Brut auf ein reiches Nahrungsangebot trifft. Die schüchternen Meisen wählten dagegen die zweite Jahreshälfte mit knappem Futter.

Trillmich vermutet, dass sich der Zeitpunkt der Geburt den Charakter prägt. "Wenn man erst einmal ein halbes Jahr mit kargem Futter überleben muss, dann ist es sinnvoll, vorsichtig zu sein." Die zurückhaltenden Vögel würden auch deshalb wieder zurückhaltende Jungtiere in die Welt setzen. Es wäre eine weitere Form der positiven Rückkopplung, die Trillmich nun an Meerschweinchen untersuchen will.

Obwohl mutige Meisen mehr Nachwuchs durchbringen, sind sie nicht per se überlegen, stellt Trillmich klar. Alle Charakterzüge können je nach Situation Vorteile bieten und sind so im Laufe der Evolution nie verschwunden. In bewährten Situationen profitieren die Draufgänger. In einer neuen Umgebung haben aber die Vorsichtigen die Nase vorn, weil sie diese aufmerksamer erkunden und flexibler reagieren. "In einer Umwelt, in der alle freundlich sind, kann es sich auch lohnen, aggressiv zu sein", ergänzt Trillmich. Gerade bei Tieren, die in großen Würfen zur Welt kommen, "suchen sich die Geschwister charakterliche Nischen, in denen sie gut zurechtkommen." Neben einem frechen Ferkel findet eben am ehesten ein gehorsames Schweinchen seinen Platz.

dapd v. 8.11.2010 


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Wie unglücklich sind doch die Menschen in ihrer Unwissenheit, aber wie tief müssten sie sich selbst verachten, wäre es ihnen möglich, sie zu erkennen.


Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal bearbeitet, zuletzt von »Frá Konstantin« (14.11.2010, 16:26)
#2
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sugar4free

Gast

Guten Abend,

 

ich bin der Meinung - nach 20 Jahren aktiv im Tierschutz - mit 190 Pflegetieren, dass alle eine Persönlichkeit für sich darstellen. Obwohl natürlich gegeben die Gene und auch die Erfahrungen nach Geburt, wie auch die vor Geburt sicher dabei eine Rolle gespielt haben. Nach dem Motto "manche habens ins sich, andere müssen noch mehr lernen". 

Ich finde, dass Tiere absolut zu respektieren sind und wir oft viel von deren Verhalten lernen können, umgekehrt auch, Schlussfolgerung meinerseits ist voneinander lernen. Dies ist in der heutigen Medizin wie auch Technik verankert: oftmals (nicht immer, ich mag das Wort immer nicht) können Tiere oder deren Lebensweise uns Menschen helfen, umgekehrt auch, wir könnten unseren Spiegeln helfen, die sie ja einerseits sind auch helfen, was viele tun.

Tiere bleiben aber, meine Meinung Tiere, die auf das Gutwillen des Menschen - heutzutage - angewiesen sind, Wir haben da eine große Verantwortung übernommen, weil wir diese Lebewesen in unseren Kreislauf noch mehr integriert haben, als wir uns bewusst waren, das wir das tun.

Ganz liebe Grüße aus Österreich#

Tanja

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