#1
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Es ist längere Zeit her, da habe ich in dem Buch "Und die Bibel hat doch Recht" gelesen, es gäbe Bildnisse eines gekreuzigten Gottes, welche älter als das Christentum sind. Und zwar stand da geschrieben es handelt sich dabei um einen gekreuzigten Mond. Ich habe viel Zeit zugebracht um nähere Informationen darüber im Net zu finden, doch ohne Erfolg.

Nun meine Frage an den Tempel: Habt ihr schon einmal von diesem Mond(gott) gehört?
#2

- admin -

Sydney,Australien

Hallo Jamie,

der Orden wird dazu scheiben sobald ein Ritter des Fachbereiches zurück in Deutschland ist.

Frá Sumedha Gupta

Ritter des Tempels

 

 


 - Zwar hat die menschliche Unvernunft nicht zugenommen. Ruinös angestiegen ist jedoch die Zahl der Unvernünftigen -

Die geschilderte Szene ist so nicht richtig wiedergegeben - offensichtlich ist der Fragesteller hier einem Irrtum erlegen. W. Keller bezieht sich in seinem Buch „Und die Bibel hat doch Recht“ (einem unzweifelhaft fleißig erarbeiteten Text, dem jegliche wissenschaftliche Grundlage in den meisten Annahmen und Theorien völlig fehlt) auf ein Amulett mit einer Orpheos-Bakkikos-Gravur, welches sich bis zum II. WW im Berliner Bode-Museum, dem ehemaligen Kaiser-Friedrich-Museum, befand. Es ist seit dem zweiten Weltkrieg verschollen. Er war als Teil des Nachlasses von Eduard Gerhard 1869 in das Berliner Antiquarium übergegangen.

Anfänglich als eine der ältesten Darstellungen der Kreuzigung Christi begrüßt, wenn nicht gar als die allererste – der Stein wurde mitunter ins zweite Jahrhundert datiert –, ließ sich das seltsame Stück aber schwer in das übliche ikonographische Schema einordnen. So erschien der Stein manchem suspekt, und bis heute bleibt kontrovers, ob es sich um ein spätantikes Original oder um eine Fälschung aus dem 17. bis 18. Jahrhundert handelt. Anhand der heute noch im Umlauf befindlichen schwarz-weiß Fotos und Zeichnungen lässt sich hier eine eindeutige, wissenschaftlich fundierte Aussage nicht treffen.

Die tragende Argumentation führt vom römischen Kaiserkult über die athenischen Iobakchen des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts sowie die römischen Dichter und Cultores Liberi der augusteischen Epoche zurück zu Julius Caesars Begräbnis, bei dem eine an einem kreuzförmigen Tropaeum befestigte Wachsfigur des Ermordeten dem Volk gezeigt wurde, die große Ähnlichkeit mit dem ‚Gekreuzigten’ in der Orpheos-Bakkikos-Gravur aufweist.

-          Am 17. März 44 vor Christus, am dritten Tag nach seiner Ermordung, erfolgte Caesars Beisetzung, bei der Marcus Antonius auch seine berühmte Leichenrede hielt.

Da Caesars Leichnam flach auf der Rednerbühne liegend vom anwesenden Volk nicht zu sehen war, wurde eine realistische Wachsfigur, die alle Dolchwunden und insbesondere die tödliche Wunde an der Seite zeigte, über die Totenbahre gehoben und an einem kreuzförmigen Tropaeum befestigt, an dem auch Caesars blutbeflecktes Gewand hing. Das Tropaeum wurde mithilfe einer mechanischen Vorrichtung um seine vertikale Achse gedreht, damit das ganze Volk auf dem Forum Romanum sehen konnte, wie die Mörder ihn zugerichtet hatten. Das Volk empörte sich, verbrannte Caesars Leichnam auf dem Forum und machte Jagd auf die Mörder. Dies wurde als seine Auferstehung zelebriert, als sein Sieg über den Tod. -

Dass auf dem Amulett Christus am Kreuz abgebildet erscheint, die Inschrift aber OΡфEOC BAKKIKOC lautet, „bacchischer Orpheus“, ist in religionsgeschichtlicher Hinsicht bemerkenswert, weil Christus für Orpheus eingesetzt erscheint, und nicht umgekehrt, wie man es von Katakombenmalereien kennt, zum Beispiel mit Orpheus als der Gute Hirte. Daher wäre das Artefakt synkretistisch oder orphisch, allerdings mit einem dionysisch leidenden Orpheus, wie Marsyas am Marterpfahl, und nicht wie der apollinische Orpheus mit Lyra, inmitten gezähmter Bestien. Bakkikos als Epitheton des Orpheos ist nicht tautologisch, denn neben der Überlieferung, dass (wonach es hier aussieht) Orpheus von den Gegnern seiner eigenen Gefolgschaft getötet wurde, gab es unter den vielen anderen eine berühmte Variante, in der Orpheus nach seiner Rückkehr aus dem Hades nicht mehr wie früher Dionysos-Bacchus verehrte, sondern Helios-Apollon, wofür ihn der beleidigte Gott durch seine Mänaden zerreißen ließ. Demnach würde hier die Bezeichnung Bakkikos diesen Orpheus am Kreuz vom Verehrer des Apollon absetzen und ihn als den Begründer der Mysterien des Dionysos ausweisen.

Die sieben Sterne um den Halbmond an der Spitze des Kreuzes hatte man zunächst als die Plejaden deuten wollen, die „Lyra des Orpheus“. Allerdings wurden sie auch als Planeten gesehen, wie sie öfter anzutreffen sind, auch im Zusammenhang mit Orpheus.

Der Mond ist seit Jahrtausenden ein Attribut weiblicher Gottheiten. Im altägyptischen Kontext auch Symbol Djehutis (Thot) und Zeichen der Träger seiner Lehre, trägt auch Isis, die altägyptische Göttin der Liebe und »Königin des westlichen Himmels«, Kuhhörner auf dem Kopf, die wie eine Mondsichel nach oben gebogen sind. Die Parallele zur christlichen Madonna ist unübersehbar: Auch Isis wird oft mit ihrem göttlichen Baby auf dem Arm dargestellt. Viele christliche Darstellungen und Gemälde, nicht nur der Kreuzigung, zeigen Sonne, Mond, Sterne und Planeten – die Deutungen dazu variieren im Laufe der Geschichte – eine „heidnische“ Verbindung ist jedoch kaum zu leugnen. Die oft anzutreffende Darstellung in der Maria die Mondsichel quasi mit den Füßen tritt, hat auch eine starke  symbolische Bedeutung: den Sieg des Christentums über den, bis ins 5. Jahrhundert sehr populären, Isiskult, welcher als Hauptreligion des Imperiums galt. Ab dem 15. Jahrhundert, als die Angst vor den Türken Europa in Atem hielt, kam eine politische Message dazu: Der Halbmond ist ein Symbol des Islam.

 

Frá Theodor v. Schöning

Komtur des Tempels

 

 


Die Vergangenheit ist nicht tot. Sie ist noch nicht einmal vorbei (Ramses II.).

#4
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Ich danke dir, Frá Theodor für diesen äusserst interessanten Text. Mir war fast alles neu und der Beitrag ist geeignet vieles dazuzulernen! Ich werde ihn meinem Textband hinzufügen.
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